Covid-19: Mediziner der München Klinik entwickeln zusätzliche Schutzausrüstung, die jetzt in Serie geht

Covid-19: Mediziner der München Klinik entwickeln zusätzliche Schutzausrüstung, die jetzt in Serie geht
Der Schutzschild im Einsatz bei einem Schluckultraschall (TEE) in der Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin der München Klinik, die an den Standorten in Bogenhausen und Schwabing unter übergreifender Leitung von Chefärztin Prof. Ellen Hoffmann steht. Die Mediziner beider Standorte haben das neue Protektionssystem in einem Gemeinschaftsprojekt zusammen entwickelt. Die Schutzschilde sind an allen Standorten der München Klinik in verschiedenen Fachbereichen bei kopfnahen Untersuchungen als zusätzliche Schutzmaßnahme im Einsatz und kommen beispielsweise auf den Intensivstationen bei der Behandlung von Covid-19-Patienten zum Einsatz. Bildnachweis: München Klinik

Krisenzeiten machen kreativ und bringen zumal besondere Lösungen hervor – wie in diesem Fall eine Entwicklung zum besseren Schutz der sensibelsten Bereiche der Patientenversorgung. Man nehme vier Drehrollen, befestige darauf eine Alu-Verbundplatte als Basis sowie zwei Platten als Seitenwände, und darauf wiederum ein Protektionsschild aus Acrylglas: Diese Bauanleitung stammt tatsächlich nicht aus einem Heimwerker-Buch, sondern aus der München Klinik Bogenhausen und Schwabing.

Wer sie befolgt, erhält ein Protektionssystem, das zusätzlichen Schutz vor infektiösen Krankheiten, wie z.B. COVID-19, bietet und bei kopfnahen Maßnahmen am Patienten zum Einsatz kommt, bei denen kleinste Tröpfchen, sogenannte Aerosole, entstehen können. Beispielsweise können Maßnahmen und Eingriffe wie das Einführen eines Beatmungsschlauches (Intubation), ein Schluckultraschall (TEE), eine Spiegelung der Atemwege (Bronchoskopie) oder pflegerische Maßnahmen bei nicht-invasiv beatmeten Patienten mit dem Schutzschild durchgeführt werden. Das System ist schon jetzt an allen Standorten der München Klinik verfügbar.

Der Bauplan und die Erklärung wurden bereits Ende März vorab veröffentlicht (DOI 10.31219/osf.io/2s93d, https://osf.io/2s93d). Daher kann das System auch von anderen Krankenhäusern und Arztpraxen als Schutz für das Personal zusätzlich zur bewährten Schutzkleidung zum Einsatz kommen.

Wenn Mediziner erfinderisch werden

Die Erfindung wurde als Gemeinschaftsprojekt der München Klinik Bogenhausen und Schwabing vorangebracht. Priv.-Doz. Dr. Florian Straube, Oberarzt in der Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin der München Klinik Bogenhausen, hat zusammen mit den Intensivmedizinern, Anästhesisten, Infektiologen, Notfallmedizinern, Gastroenterologen, Pneumologen und der Krankenhaushygiene an den Standorten Bogenhausen und Schwabing den zusätzlichen Schutz in einem Test-Parcours mit einem Prototyp verfeinert und auf die Bedürfnisse im Krankenhaus optimiert.

In der aktuellen Situation stehen ärztliche und pflegerische Kolleginnen und Kollegen täglich in direktem Kontakt mit infizierten oder möglicherweise infizierten Personen. Hierfür stehen dem medizinischen Personal zertifizierte Schutzkleidung, wie Atemschutzmasken und Handschuhe, als Schutz zur Verfügung. Alle Mitarbeitenden der München Klinik tragen während der Schicht durchgehend einen Mund-Nasen-Schutz – eine Maßnahme, die über die behördlich vorgegebenen Schutzmaßnahmen hinausgeht.

Der Wunsch nach einem zusätzlichen Sicherheitsgefühl und Schutz auch über die vorhandenen und bewährten Maßnahmen hinaus, ist in der aktuellen Situation bei den Helferinnen und Helfern verständlicherweise vorhanden. „Einige kopfnahe Untersuchungen und Eingriffe sind bekannt dafür, dass währenddessen kleinste Tröpfchen, sogenannte Aerosole, entstehen. COVID-19 wird wie andere Infektionskrankheiten über Aerosole übertragen. Deshalb kam von der Belegschaft der Impuls und Wunsch nach einem zusätzlichen, wiederverwendbaren, leicht zu desinfizierenden, robusten Schutz. So ist die Idee für das mobile Protektionssystem entstanden“, erklärt PD Dr. Straube.

Dr. Stefan Volz, Oberarzt der Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin in der München Klinik Bogenhausen, meint dazu: „Wir haben gelernt, dass die Virusmenge eine Rolle spielt bei der Übertragung und bei der Immunantwort. Die Abschirmung vor kleinsten Tröpfchen bei Untersuchungen im Kopfbereich kann die Exposition mit Viruspartikeln reduzieren und so zusätzlich schützen.“

Der Schutzschild bietet den „Anwendern“ einen frontalen Schutz und ist dank der Rollen portabel, so dass der Schild über die gesamte Untersuchungssituation hinweg angewendet werden kann. Durch zwei Öffnungen für die Arme kann der Untersucher den Patienten weiterhin behandeln – nur die Gesichter von Patient und Arzt oder Pflegekraft werden durch eine Plexiglasscheibe getrennt. Form und Maße ermöglichen einen flexiblen Einsatz im Krankenhaus bei weiterhin nahem Patientenkontakt. Der Schild lässt sich beispielsweise nah an Operationstische und Patientenbetten heranschieben und ist auch für einen Einsatz in den Isolationsboxen für COVID-19-Patienten auf der Intensivstation geeignet.

Aus eigener Erfahrung berichtet Dr. Sebastian Rogowski, Oberarzt der Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin in Bogenhausen: „Aerosolbildende Eingriffe sind häufig in der Klinik. Auch ohne gesicherte Infektion kann das System zusätzlichen Schutz bieten, denn ein Virusinfekt kann asymptomatisch und dadurch unerkannt sein.“

Die Einschätzung des Leitenden Arztes der Kardiologie in der München Klinik Schwabing, Dr. Bernhard Nagel: „In Zeiten der begrenzten Verfügbarkeit von Einmalmaterial ist jeder zusätzliche wiederverwendbare Schutz für Mitarbeiter und Patienten sehr willkommen.“

Als Koordinator der Intensivmedizin der München Klinik merkt Oberarzt Dr. Niklas Schneider dazu an: „Auch oder gerade wenn der Platz in den Isolierboxen auf der Intensivstation beengt ist, gibt es Situationen, in denen ein zusätzlicher Schutzschild sinnvoll eingesetzt werden kann. Der Schutzschild soll die bereits vorhandene Schutzausrüstung nicht ersetzen, sondern kann sie ergänzen.“

Auch die Klinikhygiene hebt den Daumen und begrüßt den Einsatz – eine Reinigung und Desinfektion kann analog wie bei sensiblen Operationsbereichen nach dem Einsatz des Schildes mit alkoholfreien Flächendesinfektionsmitteln erfolgen.

Schutzschilder gehen bereits in Serie

In Zusammenarbeit mit der Münchner Firma Wenzel GmbH – die normalerweise Fotodrucke hinter Plexiglas auf Aluminiumplatten herstellt und Dank der Produktion die gerade angemeldete Kurzarbeit wiedereingestellt hat und auf Volllast fährt – hat die München Klinik bereits die ersten Schutzschilder produzieren lassen. Diese sind seit einer Woche an allen Standorten der München Klinik in Einsatz und werden beispielsweise in den Notfallzentren, im Funktionsbereich, auf den Intensivstationen und Normalstationen mit COVID-19-Patienten eingesetzt. „Unsere Mitarbeitenden leisten auch fernab von Corona jeden Tag Unglaubliches für die Gesundheit der Stadt München. Doch in der aktuellen Corona-Krise zeigt sich besonders, wie sehr hier alle zusammenhalten und wie jeder seinen Teil und noch ein bisschen mehr dazu beiträgt, dass wir die Situation gemeinsam meistern. Dass dabei sogar Erfindungen und Entwicklungen entstehen, die in der weiteren Klinikarbeit dauerhaft Schule machen könnten und unseren Mitarbeitenden einen zusätzlichen Schutz ermöglichen, macht mich stolz und beeindruckt mich,“ sagt Dr. Axel Fischer, Vorsitzender der Geschäftsführung der München Klinik.