Die Oktoberfest-Jubilare 2019

Die Oktoberfest-Jubilare 2019

Im Café Schiebl wurden gestern, am 01.10.2019, die diesjährigen Wiesn-Jubilare durch Andre Listing, Fachbereichsleiter Veranstaltungen der Stadt München, ausgezeichnet. Zusammen bringen die Jubilare  475 Jahre Wiesn-Erfahrung mit.

„Egal wie anstrengend es ist, wir liegen trotzdem manchmal lachend am Boden!“ Angelika und Charles Porth – 25 Jahre Holzbrandmalerei

Die frühere Biologie-Studentin Angelika und der BWL-Absolvent Charles hatten zufällig eine Anzeige für eine Bude auf einem Weihnachtsmarkt in Pasing in der Zeitung entdeckt und diese kurzerhand übernommen. Die Idee war – mit Angelikas Vorliebe für Kunsthandwerk – Brotzeitbrettl zu entwerfen und diese in einer eigenen Holzbrandmalerei zu verkaufen. In den nächsten Jahren bewarb sich das Paar mit ihrer Holzbrandmalerei auf zahlreichen Märkten und finanzierte sich so ihr Studium. 1994 wurden die Porths durch die nachträgliche Platzvergabe das erste Mal mit ihrer selbstgebauten 3-Meter-Bude auf der Wiesn zugelassen. „Es war ein faszinierendes Gefühl, wir waren sehr glücklich“, beschreiben sie rückblickend.

Inzwischen gestalten Angelika und Charles Porth nicht nur Brotzeitbrettln, sondern auch individuelle „Glupperl“ (Wäscheklammern), launig beschriftet, zum Beispiel mit „Güllebaron“ oder „Bierfluencer“. Mittlerweile ist es Tradition in der Holzbrandmalerei, vor Wiesnbeginn eine interne Wette einzugehen: „Wie kommen die neuen Motive an? Welches Motiv geht am besten?“ Charles und Angelika Porth sind sich einig: Es geht ihnen nicht um den Massenverkauf, sie stehen auch hinter Motiven, die nicht so erfolgreich sind. „Mein Anliegen ist es, den Leuten eine Freude zu machen. Sie tragen die Klammern wie ein Schatz“, erzählt Angelika Porth. Für sie persönlich bedeutet die Wiesn ein Wiedersehen mit Stammkunden und schön gekleideten Wiesngästen in Tracht in einer beeindruckenden Atmosphäre. Trotz der anstrengenden Arbeit, freuen sich die Porths Jahr für Jahr auf die Wiesn, ganz nach ihrem persönlichen Motto: „Wo viel gelacht wird, sind die Tränen weg.“ (LB)

Eine saubere Wiesn ist sein ganzer Stolz Klaus Feldmeier – 25 Jahre Straßenreinigung

Klaus Feldmeier – 25 Jahre Straßenreinigung„Dass man zu einer Zeit auf dem Festgelände ist, wo noch keine Besucher da sind, und an der Bavaria steht – während die Sonne aufgeht – ist die andere Impression der Wiesn, die nur ganz wenige sehen“. Selbst nach 25 Jahren hat dieser Augenblick für Klaus Feldmeier, den Sachgebietsleiter für Straßenreinigung aus dem Baureferat, seinen Zauber nicht verloren. Seit 1994 organisiert und entwickelt der Betriebsleiter die Strategien und die Arbeitsabläufe zur Reinigung des Geländes. Abgesehen vom Festgelände wird auch die Festwiese und das Umfeld gereinigt. Um zwei Uhr morgens beginnen in der Regel die Aufräumarbeiten; die Kernarbeitszeit zur Säuberung des Festgeländes liegt jedoch zwischen vier und acht Uhr morgens. Besonders wichtig ist dem gebürtigen Münchner dabei, dass bis um acht Uhr – kurz bevor die ersten Besucherströme einsetzen – alles wieder sauber ist.

Nicht nur nachts, sondern auch mittags und nachmittags sind einzelne Gruppen unterwegs. „Dieses Verfahren hat sich recht bewährt über die Jahre. Wir arbeiten wirklich Hand in Hand, sonst würde das nicht funktionieren“, erzählt Klaus Feldmeier. 20 Personen arbeiten in einer Schicht gemeinsam an der Reinigung des Festgeländes, 30 hingegen kümmern sich um das Umfeld.

Die Teilnahme und das Mitwirken an einem erfolgreichen Ablauf des Oktoberfestes als Fest der Landeshauptstadt München erfüllt den Betriebsleiter mit Stolz. „Das ist schon sehr bedeutsam, wenn so eine Veranstaltung gestemmt wird, die einen weltweiten Ruf hat“. (EW)

„Selbst wenn die Leute aufgehört haben zu rauchen, kommen sie vorbei!“ Stephan von Dall‘Armi – 25 Jahre Tabakwaren

Stephan von Dall‘Armi - 25 Jahre TabakwarenSeit 1995 ist Stephan von Dall‘Armi mit seinem Tabakstand auf der Wiesn zu finden. Er erinnert sich noch an die Zeit, als es noch kein Rauchverbot in den Festzelten gab, er mit seinen Kollegen durch die Zelte gelaufen ist und Zigaretten aus dem Bauchladen verkauft hat.

Dieses Geschäft verbindet zwei Familientraditionen: das Oktoberfest und die Tabakwaren. Ein Vorfahre von Stephan von Dall‘Armi, Heinrich von Dall‘Armi (1846-1922), war ein Münchner Tabakkaufmann und Industrieller.

Ein weiterer Vorfahre, Andreas von Dall‘Armi (1765 – 1842), hatte 1810 die Idee, ein Pferderennen zur Hochzeit von Kronprinz Ludwig, des späteren Königs Ludwig I. von Bayern, und Prinzessin Therese von HildburgSachsenhausen auf einer Wiese vor den Toren Münchens zu veranstalten. Daraus entstand das Oktoberfest. Stephan von Dall‘Armi steht mit seinem Stand jedes Jahr am gleichen Standplatz: gegenüber vom Weinzelt. Mit Stammkunden und anderen

Schaustellern hat er sich über die Jahre ein gutes Verhältnis aufgebaut. „Man hilft sich gegenseitig beim Aufbau und nimmt Rücksicht auf die anderen“, erzählt Stephan von Dall‘Armi. Das Gefühl von Gemeinschaft und den ganz besonderen Wiesn-Charme schätzt der Beschicker am meisten auf der Wiesn. (LB)

Das Herz hängt am roten Münchner Schokoherzl Barbara Mayer – 50 Jahre Süßwaren

Barbara Mayer - 50 Jahre SüßwarenSeit 50 Jahren steht Barbara Mayer mit ihrem Herzerlstand auf der Wiesn. Neben Lebkuchenherzen, Alpenbrot und weiteren Leckereien führt der Süßwarenstand noch die traditionell roten Münchner Schokoherzen. „50 Jahre san vergangen wia die Feierwehr“ stellt die 84-jährige Marktkauffrau ungläubig fest. Die enge Bindung zum Oktoberfest entstand früh. Im zarten Alter von 15 Jahren half Barbara Mayer das erste Mal einer Bekannten mit ihrem Herzerlstand auf der Wiesn aus. „Von dem Wiesngeld, des warn 165 Mark, do hob i ma an Wintermantel kafft“ erzählt sie stolz. Durch ihre Mutter kam sie auf die Idee, sich für einen eigenen Stand auf dem Oktoberfest zu bewerben. Als ihre Mutter aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, ihren Breznstand auf dem Festgelände zu führen, sprang Barbara Mayer gemeinsam mit ihrem Ehemann ein. Die Entscheidung, sich für einen eigenen Stand zu bewerben, fiel daraufhin sehr schnell. Seit 1979 ist der Süßwarenstand nun jährlich auf der Wiesn vertreten.

Besonders stolz ist die Marktkauffrau auf ihre roten Münchner Schokoladenherzen, so wie es sie früher auf dem Oktoberfest gab. 32 verschiedene Motive zieren die Herzen, die seit etwa 30 Jahren von der Firma Fesey geliefert werden. Die Schokoladenherzen sind in ein rotes Papier mit einer Schleife gewickelt und werden anschließend in liebevoller Handarbeit von ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter mit weiteren Verzierungen geschmückt. „Ab Juni geht‘s bei uns los in meinem Wohnzimmer“ erzählt sie lachend. Trachtenketterl, Armbänder und Maßkrugfinder sind nur einige der Anhänger, mit denen die Schokoherzen ausgestattet werden. „Die Stammkunden kemma hauptsächlich wegen die roten Schokoherzen“, erzählt sie. Für die Münchnerin sind die Süßwaren eine Herzensangelegenheit. Sie möchte die Tradition der klassischen Münchner Schokoherzen, die mittlerweile kaum noch bekannt ist, am Leben erhalten. Die Leidenschaft für die Wiesn und die Herzen hat sie an ihren Sohn weitergegeben, der seit zwölf Jahren am Standl mitarbeitet. Die Wiesn und der Herzerlstand wirken wie ein Magnet. „Man hängt einfach dro, weil man damit aufgwachsen is“. (EW)

„Wiesn ist für wie Urlaub“ 50 Jahre Familie Pölzl auf dem Oktoberfest

50 Jahre Familie Pölzl auf dem OktoberfestAngefangen hat alles 1969 mit einem Feinkoststand des Großvaters Georg Pölzl. Mittlerweile leitet Ramona Pölzl-Rosenhammer das traditionsreiche Geschäft in dritter Generation und das schon seit über zehn Jahren. Ihre Oktoberfest-Karriere begann aber im Alter von fünfzehn Jahren, als sie das erste Mal an den Wochenenden für die Familie hinter dem Grill stand. Übernommen hat sie den Betrieb von ihrem Vater GeorgLudwig Pölzl, der die Wurstbraterei in zweiter Generation führte. Die Wurstbraterei Pölzl ist ein echter Familienbetrieb. 

Und obwohl sich die Wiesn über die Jahre verändert hat steckt noch immer das ganze Herzblut in der Wurstbraterei, einer schicken „Almhütte“, auf der Schaustellerstraße. „Man kann nicht sagen wie‘s schöner war, etz oder früher. Jetzt kannst auch mal gackern. Damals standen die Gäste bei uns in 6er Reihen am Stand bis in die Wasserrinne – ging auch, war aber was ganz anderes.“ erzählt Frau Pölzl-Rosenhammer. „Jeder sagt immer – Mei bist du blöd, der ganze Stress – aber ich sag des ist kein Stress mehr. Ich muss net kochen, net abspülen. Da sag ich, Wiesn ist für mich Urlaub.

Früher, wenn das Blut in den Schuhen stand, das war Stress.“ Aber natürlich ist der Wandel der Zeit auch an der Wurstbraterei nicht vorbeigegangen. Ein modernes Unternehmen mit über 30 Mitarbeitern hat sich aus dem kleinen Feinkoststand entwickelt, das für viele zum Wiesnbesuch genau so dazu gehört wie die Festzelte. Von der traditionellen Bratwurst, über Schweinebraten- und Leberkasburger, bis hin zum Veggi-Burger – das Angebot in der Wurstbraterei ist mindestens so ansprechend wie die aufwendige Dekoration und das Design im Almhüttenstil. „Mein Mann und ich machen den gesamten Auf- und Abbau. Natürlich benötigen wir dafür mittlerweile einen Kran, aber vergrößern wollen wir uns nicht mehr. Wir haben ja auch noch daheim das Gasthaus und wir haben die verschiedenen Aufgaben in der Familie einfach super aufgeteilt.“ Der Nachwuchs für die nächsten Jahre steht schon in den Startlöchern. Die 17-jährige Tochter versucht sich bereits im heimischen Betrieb. „A bissl ham ses scho im Blut.“ lacht die stolze Mama. (TE)

Und es dreht sich immer noch! 100 Jahre Kettenflieger Kalb

100 Jahre Kettenflieger KalbDas älteste Fahrgeschäfte auf der Wiesn ist der Kettenflieger Kalb, der 1919 von der Berliner Firma Gundelwein und Fischer hergestellt wurde. In Auftrag gegeben hat dieses Fahrgeschäft Karl Johann Wolfgang Kalb, der in München um 1900 mit einem kleinen Fliegerkarussell großen Erfolg feierte. Der große Kettenflieger mit 48 Plätzen galt zu seiner Zeit als das größte Karussell in Deutschland. Kalb sparte nicht am Geld und ließ die Dekorationsteile des Fluggeschäfts vom bekannten Schaustellermaler Konrad Ochs gestalten. Da zylindrische Holzmasten keine lange Lebensdauer haben, wurden bei der Firma Mannesmann konische Stahlmasten bestellt. Eine neue Wilhelm-Bruder-Konzert-Orgel spielte die schönsten Schlager der Zeit und so wurde der Kettenflieger Kalb zu einem Publikumsmagneten, als er 1919 auf der Wiesn Premiere feierte. Allerdings war das Fluggeschäft auch etwas skandalträchtig: Die weiblichen Fahrgäste zeigten beim Ausflug viel Bein! So wurden die Sitze statt mit Ketten mit Stangen verbunden, damit der Flug nicht so rasant war. Diese Maßnahme wurde aber wegen erhöhter Unfallgefahr bald wieder eingestellt. Im laufenden Betrieb fing wegen der großen Beanspruchung der Salz-Faß-Anlasser zu kochen an. Sohn Josef, der kein Elektriker, aber ein Tüftler war, erfand den Granitblock-Anlasser, über den selbst Ingenieure staunten und der über 60 Jahre ohne Pause seinen Dienst tat. Der Zweite Weltkrieg beendete die Ära von Johann und Babette Kalb, die kurz vor Kriegsende verstarben. Sohn Oskar Kalb übernahm das Geschäft, das 1939 in einer Scheune außerhalb Münchens vergraben wurde. Der Kettenflieger Kalb überlebte so zwar unbeschadet die Kriegszeit, wurde aber in den ersten Tagen nach Kriegsende beinahe gesprengt: Die Alliierten sahen den aus dem Boden herausragenden Stahlmast und hielten ihn für eine Rakete. Ein GI, der Ingenieur war, erkannte glücklicherweise den Irrtum und rettete so den Flieger. Oskar, der kriegsverletzt war, und Anna Kalb führten ihren Kettenflieger in zweiter Generation tapfer durch die nicht immer einfache Nachkriegszeit. In den 50erJahren war das Karussell Treffpunkt von stationierten Amerikanern, von Gastarbeitern aus Italien und Spanien sowie von Halbstarkengruppen, die alle zusammen mit den Münchner Gästen ihren Spaß hatten.

1969 wurde ein junger 16jähriger Bursche namens Hans Martin Vorarbeiter und „Ziehsohn“ des Ehepaars Kalb, die keine Kinder hatten. Nach dem Tod von Oskar Kalb adoptierte Anna Kalb Hans Martin und führte ab 1979 zusammen mit ihm das Geschäft. Namhafte Volksfeste in Deutschland wurden bereist, die Auer Maidult in München war ein Stammplatz, ebenso das Oktoberfest.

Nach 50 Jahren sitzt Martin Kalb mit einem zufriedenen Lächeln und sich freuend, wenn viele Gäste ihre Runden drehen, zum letzten Mal an der Kassa des Kettenfliegers auf der Oidn Wiesn. Sohn Josef, gelernter Koch, aber von klein auf mit dem Kettenflieger-Virus infiziert, steht in vierter Generation in den Startlöchern zur Übernahme des Geschäfts. Der Kettenflieger Kalb ist und bleibt eine Attraktion für Jung und Alt. Damit das auch so bleibt, dafür wird Familie Kalb mit viel Herzblut schon sorgen.(GP)

„Auf geht‘s zum Schichtl“ 150 Jahre Schichtl-Theater

150 Jahre Schichtl-Theater1871 rekommandierte Michael August Schichtl, Besitzer des „OriginalZauber-Spezialitäten-Theaters“, seine „Extra-Galavorstellung mit noch nie dagewesenen Sensationen“ mit den Worten „Auf geht’s beim Schichtl“. 1869 war das Varieté zum ersten Mal auf dem Oktoberfest zu sehen und somit das Gründungsjahr des Münchner Schichtl-Theaters. Der Spruch „Auf geht’s beim Schichtl“ ist längst in den Münchner Sprachschatz eingegangen. Im legendären Wiesn-Varieté, das Zauberei, Puppenspiel, Kuriositäten und vieles mehr dem staunenden Publikum bot, wird auch heute noch die „Enthauptung einer lebenden Person auf offener hell erleuchteter Bühne mittels Guillotine“ zelebriert. Legendär war Michael August Schichtl‘s Auftritt als Rekommandeur auf der Parade des Theaters, wo er mit „ausgefeilten bayerischen Grobheiten“ das Publikum ins Theater lockte. Manfred Schauer leitet als nur vierter Intendant in 150 Jahren das Varieté. 1985 begann seine Oktoberfest-Karriere als Schichtl – noch unter der Prinzipalin Franziska Eichersdörfer – mit der Devise „Zeigen, was ma kann und verbergen, was ma nicht kann“. 1986 übernahm er zunächst mit einem Kompagnon die Schaubude, seit 1999 führt er sie in Eigenregie. Wie Manfred Schauer in seiner Parade zur Musik der Bluesbrothers die Schichtl-Truppe vor jeder Vorstellung fetzig präsentiert, wie er mit frechen Sprüchen das Publikum fesselt und mit subtilem bis derben Humor das Tagesgeschehen kommentiert, das ist sehenswert und einem Michael August Schichtl wohl ebenbürtig.

Das „Schichtl-Theater, die große kleine Illusionsbühne, zieht letztendlich immer noch sein Publikum magisch an. (GP)