Die Stadt München ist kein Vorbild

Beschlussvorlage zum Thema „Artgerechte Tierhaltung“ enttäuscht

PRÜFEN, BERATEN, ABWARTEN: Der Gesundheitsausschuss des Münchner Stadtrates diskutiert am Donnerstag, den 14. April 2016 über die Beschlussvorlage zum Thema „Artgerechte Tierhaltung“. Entschieden wird darüber, in welchem Umfang die Stadt München in ihrem Wirkungskreis – von städtischen Kantinen bis zu Empfängen im Rathaus – Produkte aus artgerechter Tierhaltung einsetzt. Bei den Mitgliedern des Aktionsbündnisses „Artgerechtes München“ löst die Beschlussvorlage Unverständnis und Enttäuschung aus:

„Alle Fakten liegen auf dem Tisch: Industrielle Intensivtierhaltung ist gesundheitsgefährdend, tierquälerisch und umweltschädlich. Die Münchner Bevölkerung hat ein klares Votum für eine Landeshauptstadt abgegeben, die in ihrem Wirkungskreis nur noch Produkte aus artgerechter Tierhaltung zulässt. Das ist auch bezahlbar“, erläutert Stephanie Weigel vom Aktionsbündnis „Artgerechtes München“ und Umweltleiterin des Tollwood Festivals. „Vor diesem Hintergrund ist es sehr enttäuschend, dass die Beschlussvorlage aus nichtssagenden Formulierungen besteht, die weder ein Ziel benennen noch Verbindlichkeit besitzen. Das entspricht weder dem Ernst der Lage, noch ist es das, was Münchens BürgerInnen wollen!“ Bilder durch anklicken vergrößern!

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Was Münchens BürgerInnen wollen, zeigen die 30.000 Menschen aus und um München, die das Aktionsbündnis „“ seit der Gründung im Mai 2015 mit ihrer Stimme unterstützen. Darunter viele namhafte VertreterInnen der Stadtgesellschaft sowie über 170 KünstlerInnen, mehr als 60 WissenschaftlerInnen und MedizinerInnen, über 80 Verbände sowie 150 Unternehmen. Mit der Übergabe dieser Unterschriften an Oberbürgermeister Dieter Reiter am heutigen Dienstag, den 12. April, und der Aufstellung der Kunstinstallation „Alles hat ein Ende … (nur die Wurst hat keins)“ des Künstlerkollektivs NEOZOON auf dem Marienplatz, will das Aktionsbündnis die politischen VertreterInnen der bayerischen Landeshauptstadt aufrütteln – und seiner Forderung nach mehr Engagement für den Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz sowie der Berücksichtigung der ausdrücklichen Wünsche der Münchner BürgerInnen Nachdruck verleihen.

Gertraud Gafus, bayerische Bäuerin und Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL):
„Lieber weniger und dafür was Gscheits. Das gilt in allen Konsumsparten vom T-Shirt bis zum Schnitzel und wird langfristig zu einer Verbesserung der Lebensqualität aller Menschen führen. Mit dieser Einstellung haben wir Bauern, die wir Tierschutz und Ökologie hoch halten und nicht nur auf Massenproduktion setzen, eine Chance zu überleben. Und alle anderen Bauern haben eine Chance, diesen Weg einzuschlagen.“

Dr. Richard Bartels, Tierarzt und Mitglied des „Tierärztlichen Forums für verantwortbare Landwirtschaft“:
„Auch in Bayern werden Masthähnchen und Legehennen in Betrieben mit 100.000 und mehr Tieren gehalten. Auch in Bayern kommt die Mehrheit der Eier aus Legebatterien. Auch das Schweinefleisch wird in Ferkelerzeugerbetrieben und Mastanlagen in industriellem Ausmaß erzeugt. Und sollte jemand glauben, dass unsere bayerische Milch nur von glücklichen Almkühen stammt, sollte sich bewusst sein, dass es auch hierzulande inzwischen Betriebe mit 500 und mehr Kühen gibt, die, wie auch anderswo von den aberwitzig hohen Abgangsraten der industriellen Produktion betroffen sind. Und auch die Schlachtung ist geprägt von Konzentrationsprozessen und erfolgt unter Fließband-Bedingungen, die getrieben sind von Gewinnmaximierung zu Lasten von Tier und Mensch. Nur so sind ‘Sonderangebote wie 6 Hähnchen für 12 €’ möglich. Auf maximale Leistung gezüchtet, in Rekordzeit gemästet (was nur unter Einsatz von Antibiotika wirtschaftlich möglich ist), unter unsäglichen Bedingungen gehalten und schließlich im Minutentakt geschlachtet.

Was kommt dabei heraus? Ein Festtagsbraten? Mitnichten. Ein Fest kann daraus nie und nimmer werden. Jeder Einzelne ist hier gefragt. Aber auch die Politik: Eine Großstadt wie München ist ein Großverbraucher – und trägt damit auch große Verantwortung. Sie kann und muss die Weichen stellen – für den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt.“

Der bevorstehenden Diskussion im Stadtrat sind zwei Stadtratsanträge vorangegangen: der Antrag „Kein Verkauf von Produkten aus tierquälerischer Intensivtierhaltung in der LHM“ von ÖDP und DIE LINKE vom 03.06.2014 sowie der Antrag „München geht als Vorbild voran – Fleisch aus artgerechter Tierhaltung im städtischen Einfluss als Minimalkonsens“, der am 22.05.2015 von der Stadtratsfraktionsgemeinschaft Bündnis 90/die Grünen/RL eingereicht worden war.

Beschlussvorlage & Stadtratsanträge:

Beschlussvorlage für Donnerstag, den 14.4.16: https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/SITZUNGSVORLAGE/4002731.pdf

Der Antrag „München geht als Vorbild voran – Fleisch aus artgerechter Tierhaltung im städtischen Einfluss als Minimalkonsens“ von der Fraktionsgemeinschaft Bündnis 90/die Grünen/RL vom 22.05.15 im Wortlaut: www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/ANTRAG/3683928.pdf

Der Antrag „Kein Verkauf von Produkten aus tierquälerischer Intensivtierhaltung in der LHM“ von der ÖDP und DIE LINKE vom 03.06.14 im Wortlaut: www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/ANTRAG/3338685.pdf

Die Installation „Alles hat ein Ende … (nur die Wurst hat keins)“ von NEOZOON
Das Mensch-Tier-Verhältnis steht für das Künstlerkollektiv NEOZOON im Mittelpunkt ihres Schaffens. So rückt die Kunstinstallation Alles hat ein Ende … (nur die Wurst hat keins)“ auf besonders bissige Art und Weise die Ausbeutung von Tieren in den Mittelpunkt und deckt die Widersprüche menschlichen Konsumverhaltens auf. Die Installation war erstmals auf dem Tollwood Sommerfestival 2015 im Olympiapark zu sehen und stand bereits dort als Symbol für die Missstände der industriellen Intensivtierhaltung. Weitere Informationen zu NEOZOON unter www.neozoon.org

Die Installation am Marienplatz wurde von folgenden Bündnispartnern betreut:
BUND Naturschutz in Bayern e.V., Naturland, ProVIEH e.V., Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL, Deutscher Tierschutzbund, Slow Food München, Slow Food Fünfseenland, Genussgemeinschaft Städter und Bauern, Nuclear Free Future Award, Tierärztliches Forum für eine nachhaltige Landwirtschaft, Germanwatch, Tollwood.

Aktionsbündnis „Artgerechtes München“
Das Aktionsbündnis „Artgerechtes München“ wurde im Mai 2015 vom Tollwood Festival initiiert. Ziel des Bündnisses ist, dass sich die Landeshauptstadt München per Stadtratsbeschluss dazu verpflichtet, in ihrem Wirkungskreis zukünftig nur noch Produkte einzusetzen bzw. zuzulassen, die nachweislich aus artgerechter Tierhaltung stammen: Dies beträfe alle städtischen Kantinen, alle städtischen Einrichtungen – Krankenhäuser, Kultureinrichtungen etc. –, alle städtischen Empfänge sowie öffentliche Veranstaltungen, bei denen die Stadt München Hausherrin ist, z. B. das Stadtgründungsfest, die Auer Dulten, den Christkindlmarkt und das Oktoberfest.

Aktuell zählt das Bündnis 30.000 Unterstützer. Sie alle engagieren sich dafür, dass die Landeshauptstadt München in ihrem Wirkungskreis nur noch Produkte aus artgerechter Tierhaltung zulässt. Bereits im September 2014 ergab eine repräsentative Umfrage von TNS Emnid, dass 85 Prozent der Münchnerinnen und Münchner eine Landeshauptstadt wünschen, die auf Produkte aus artgerechter Haltung setzt und auch bereit wären, den Mehrpreis dafür zu bezahlen. Dass dies bezahlbar ist, zeigt ein unabhängiges Gutachten von a’verdis. Es kommt zu dem Schluss, dass die Mehrkosten für den Einsatz von Produkten aus artgerechter Haltung im Kinderbetreuungs- und Kantinenbereich unter zehn Prozent liegen würden, bei Empfängen und Großveranstaltungen zwischen zehn und 20 Prozent. Unterstützung erfährt das Aktionsbündnis von allen Seiten: Unternehmen wie die Hofpfisterei und Münchner Kindl Senf, Verbände wie die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e. V., Slow Food München, der Seniorenbeirat München oder PROVIEH, sind ebenso dabei wie KünstlerInnen, MedizinerInnen und WissenschaftlerInnen, der Münchner Alt-Oberbürgermeister Christian Ude, Karl Ludwig Schweisfurth oder Konstantin Wecker. Mitmachen beim Aktionsbündnis „Artgerechtes München“ kann jeder. Weitere Informationen und Mitmachen unter www.artgerechtes-muenchen.de.