Drogentotengedenktag 2020: Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl unterstützt Konsumraum-Forderung

Drogentotengedenktag 2020: Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl unterstützt Konsumraum-Forderung

53 verstorbenen Drogengebraucher*innen wurde gestern am Münchner Marienplatz gedacht. Suchthilfeträger und Stadtpolitik betonen: Viele Drogentode könnten verhindert werden – und stellen dafür Forderungen an die bayrische Staatsregierung.

„Wir werden nicht aufhören, darum zu kämpfen“, verspricht Münchens dritte Bürgermeisterin Verena Dietl  während einer Kundgebung zum 21. Juli 2020, dem Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen. Gemeint ist der Einsatz für Drogenkonsumräume, also für Aufenthaltsorte zum sicheren Konsum von Drogen. In  anderen deutschen Städten wie Frankfurt, Berlin oder Hamburg gibt es solche Konzepte seit längerem. Sie helfen Drogengebraucher*innen beim Einstieg in die Suchthilfe und Sozialarbeiter*innen bei der Kontaktaufnahme zu Menschen, die sonst sie sonst schwer erreichen, argumentieren soziale Träger. In Bayern scheitert die Umsetzung an der Staatsregierung. Dietl plädiert: „Es braucht diese Konsumräume und Unterstützungsmöglichkeiten, dass es den Menschen besser geht!“

„Handelt endlich jetzt!“
Das am Marienplatz versammelte Publikum ist ein Mix aus Drogengebraucher*innen und Angehörigen sowie Vertreter*innen der Suchthilfeorganisationen Caritas Therapieverbund Sucht, Condrobs e.V., der Münchner Aids-Hilfe und Prop e.V.  Auch in diesem Jahr stand der Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Dieter Reiter. Für sie ist Dietls Forderung ein willkommenes Plädoyer.  Seit nun 20 Jahren stünden die Pläne für solche Konsumräume, meint Klaus Fuhrmann, Bereichsgeschäftsführer für niedrigschwellige Hilfen bei Condrobs. Über die Jahre hinweg wuchs die Zahl an Fürsprecher*innen aus Politik und Wissenschaft stetig. „Wir appellieren an die bayrische Staatsregierung: Konsumräume retten Leben. Handelt endlich jetzt!“, unterstreicht auch Fuhrmann die Forderung.

„53 Drogentote sind 53 Verstorbene zu viel“
Gründe für diese Forderungen liegen laut Margot Wagenhäuser, Leiterin des Therapieverbund Sucht der Caritas, auf der Hand. 53 Menschen verstarben im vergangenen Jahr in München an den Folgen von Drogenkonsum: „53 Drogentote sind 53 Verstorbene zu viel“, betont sie. Neben Drogenkonsumräumen bräuchten Menschen besonders im ländlicheren Raum besseren Zugang zur Substitution. Wagenhäuser warnt vor den Folgen einer solchen Vernachlässigung:  „Die schlechte Versorgungslage mit Substitutionsprogrammen im ländlichen Raum führt dazu, dass diese Menschen zu anderen Substanzen greifen.“

Wissenschaftlichkeit statt Ideologie
Drogenpolitik brauche Expertentum und Wissenschaftlichkeit, meint Jörg Gerstenberg von prop e.V. Was in der Coronakrise zum Usus wurde, sei in der Drogenpolitik jedoch noch nicht angekommen.  Viel mehr ginge es hier noch um ideologische Debatten. Zusätzlich zu flächendeckender Substitution und Konsumräumen fordern Suchthilfeträger also auch die etwa in der Schweiz bereits erprobte Maßnahme des Drugchecking. Druckchecking ist die Möglichkeit, straffrei Drogen auf ihre Inhalte und mögliche Verunreinigungen testen lassen zu können. Besonders für jüngere Konsument*innen, die häufig auf synthetische Drogen umsteigen, sei Drugchecking ein potentieller Lebensretter, betont Klaus Fuhrmann.

„Ich möchte euch alle hier nächstes Jahr wieder sehen!“
Sichtlich emotional verliest Angelika May-Norkauer  die 53 Vornamen der im vergangenen Jahr verstorbenen Drogengebraucher*innen. Ob selbst Konsumierende, Angehörige oder Sozialarbeiter*innen in der Suchthilfe – viele der Namen sind den am Marienplatz versammelten Menschen bekannt. Hinter den politischen Forderungen steckt die jahrelange Erfahrung, welche Auswirkungen Marginalisierung auf suchtkranke Menschen hat. Jörg Gerstenberg prangert den oft gefühlten Zynismus in der Drogendebatte an: „Es steht einer offenen und humanen Gesellschaft nicht an, so über Menschen zu reden. Jedes Leben zählt!“ Nach Ende einer Schweigeminute wendet sich Olaf Ostermann, Leiter des Condrobs Kontaktladen limit, an die versammelten Drogengebraucher*innen: „Passt auf euch auf. Ich möchte euch alle hier nächstes Jahr wieder sehen!“ Er weiß, viele Drogentode könnten er und seine Mitarbeiter*innen mit einem Umschwung in der bayrischen Drogenpolitik verhindern.  

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