Erste Münchner Armutskonferenz

Erste Münchner Armutskonferenz

Am morgigen Mittwoch, 19. Mai, findet die erste Münchner Armutskonferenz unter dem Titel „In Würde leben – das soziale Sicherungssystem auf dem Prüfstand“ statt. Im Fokus des Austauschs und der sozialpolitischen Diskussion zwischen Politik, den Trägern der freien Wohlfahrtspflege, Verwaltung und Wissenschaft stehen die Themen Armut und Grundsicherung.

Bürgermeisterin Verena Dietl: „Bei wirtschaftlichen Kennzahlen erreicht München im Großstadtvergleich hervorragende Werte: niedrige Arbeitslosenquote, hohe Beschäftigungsquote und hohe Kaufkraft. Diese Prosperität hat jedoch auch ihre Schattenseiten. Aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten, insbesondere der Mieten, haben Münchner*innen bis weit in die Mittelschicht hinein Schwierigkeiten, mit ihrem vorhandenen Einkom- men über die Runden zu kommen. Kleine bis mittlere Einkommen, die in anderen Städten und Gemeinden für eine selbständige Existenzsicherung reichen, schützen in München oft nicht vor einem Abrutschen in die Armut.“

Laut dem Armutsbericht von 2017 sind rund 17 Prozent der Bevölkerung (270.000 Menschen) in München arm. Am meisten betroffen sind Alleinerziehende, ältere Menschen (ab 65 Jahre) und Ausländer*innen. Besonders belastend ist die Situation für Personen, die Sozialleistungen wie zum Beispiel Grundsicherung erhalten, da der Regelsatz regionale Unterschiede nicht berücksichtigt und deshalb für München zu niedrig bemessen ist. Bürgermeisterin Verena Dietl: „Wir fordern die Bundesregierung deshalb erneut auf, die Regelsätze an regionale Bedingungen anzupassen und eine Alterskomponente in die Berechnung insbesondere für Kinder und alte Menschen einfließen zu lassen. Ebenso müssen die Bedarfe an digitaler Grundausstattung angemessen berücksichtigt werden. Nur so kann auch in einer Großstadt wie München ein Leben in Würde ermöglicht werden.“ Darüber hinaus fordert die Landeshauptstadt München die Wiedereinführung der einmaligen, auch laufenden Leistungen für Bekleidung, Gebrauchsgüter und notwendige Wohnungsausstattungen.

Die Corona-Pandemie hat die Situation derjenigen, die ohnehin schon benachteiligt waren, zusätzlich verschärft. Dies sind insbesondere Personen mit niedrigen Einkommen, nicht sozialversicherungspflichtigen bzw. nur temporären Beschäftigungsverhältnissen und in der Arbeitnehmerüberlassung, vor allem weil sie überdurchschnittlich häufig von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Zum Jahresende 2019 lag die Arbeitslosenquote in München bei 3,2 Prozent. In Folge der Corona-Krise stieg sie ab April 2020 deutlich an und betrug im April 2021 5,1 Prozent. Die Zahl der Ratsuchenden in den Schuldnerberatungsstellen der Stadt und der Wohlfahrtsverbände ist pandemiebedingt sprunghaft gestiegen von 12.999 Personen im Jahr 2019 auf 18.338 in 2020.

Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas, indem sie vorhandene Ungleichheiten weiter verstärkt. Für die Zeit von Januar bis Juni 2021 hat die Bundesregierung für Sozialleistungsempfänger*innen einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 150 Euro für coronabedingte Mehrkosten beschlossen. Das reicht bei weitem nicht. Wir fordern die Bundesregierung dringend auf, den monatlich anfallenden Mehrbedarf an Hygienemaßnahmen für Sozialleistungsempfänger*innen mindestens bis Ende 2021 abzudecken.“

Die Landeshauptstadt München fordert zudem, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I deutlich zu verlängern, um nicht gegen Ende des Berufslebens in die Grundsicherung für Arbeitsuchende zu fallen, eine deutliche Anhebung des Mindestlohns und eine Anhebung der Vermögensfreigrenzen im SGB XII um mindestens weitere 50 Prozent. Darüber hinaus sind die Anrechnungsfreibeträge für den Zuverdienst in der Grundsicherung an die zum Teil deutlich höheren Beträge des SGB II anzugleichen. Die 1. Münchner Armutskonferenz beschäftigt sich zudem mit möglichen Maßnahmen, die bei der Ursachenbekämpfung von Armut innerhalb einer Kommune ergriffen werden können.

Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Die Spielräume für Kommunen sind an dieser Stelle sehr gering, da rechtliche Vorgaben überwiegend auf Bundesebene bestimmt werden. Wir haben aber in München schon viel unternommen und bauen unser freiwilliges Angebot für Menschen mit geringem Einkommen immer noch weiter aus. Das Sozialreferat erhöht den Regelsatz im SGB XII bereits um 22 Euro pro Monat. Den München-Pass, die Isar Card S sowie ermäßigte Tageskarten gibt es schon lange, ebenso die Schulpauschale für die Ersteinschulung und die Übernahme der Kosten für Verhütungsmittel. Insgesamt investiert die Landeshauptstadt München insgesamt rund 22 Millionen Euro jährlich in freiwillige Leistungen und unterstützende Angebote.“

Dazu zählt zum Beispiel auch der Mittagstisch in den 32 Münchner Alten- und Service-Zentren, der für Menschen mit geringem Einkommen (bis 1.350 Euro) kostenlos ist. Die ASZ, die Beratungsstellen für ältere Menschen und Angehörige und die weiteren Einrichtungen der offenen Altenhilfe gehören neben den Sozialbürgerhäusern zu einer systemrelevanten sozialen Versorgungskette für ältere Menschen in München. Während der ersten Pandemiewelle hatten Menschen mit geringem Einkommen (bis 1.350 Euro) im ASZ die Möglichkeit, kostenlos Essen auf Rädern beziehungsweise eine Grundversorgung mit Lebensmitteln sowie eine Versorgung mit Hygiene- und Pflegeartikeln zu erhalten. Seit Mitte Juni 2020 gelang zudem eine Rückkehr des sozialen Mittagstisches in den Regelbetrieb, der seitdem aufrechterhalten werden konnte.

Schon vor der Corona-Pandemie hat die Landeshauptstadt München zudem erkannt, wie wichtig digitale Endgeräte für Schüler*innen und Senior*innen sind. Aufgrund eines Stadtratsbeschlusses aus dem Jahr 2019 konnte mit einem Zuschuss in Höhe von 250 Euro pro Person sichergestellt werden, dass Schüler*innen im Transferleistungsbezug wie alle anderen Kinder am Homeschooling teilnehmen und ältere Menschen zumindest digital mit ihren Kindern und Enkel*innen Kontakt aufnehmen können. Auf diesem Weg konnte die Anschaffung von rund 8.500 Laptops gefördert werden, davon rund 6.300 für Schüler*innen aus einkommensschwachen Familien und 2.200 für ältere Menschen. Bei den Schüler*innen hat die Stadt so die Zeit überbrückt, bis von den Schulen die notwendigen Leihgeräte zur Verfügung gestellt werden konnten.

Armutskonferenzen werden in München künftig alle zwei Jahre mit wechselnden inhaltlichen Schwerpunkten stattfinden, um den vielfältigen Aus- prägungen und Ursachen von Armut gerecht zu werden. Dieses Jahr im Juli findet noch eine weitere Armutskonferenz zum Thema „Junge Menschen“ statt.