foodwatch-Protestaktion bei Alete: Babynahrungshersteller lehnt Goldenen Windbeutel ab

Foto: Dieter Schwer Dipl. Fotodesigner

Verbraucherorganisation fordert: Alete muss Babykeks vom Markt nehmen

November 2017. „Ich will keine Werbelüge mehr sein!“ – mit diesem Demonstrationsschild steht eine Aktivistin im menschengroßen Alete-Babykeks-Kostüm vor dem Alete-Verwaltungssitz in Bad Homburg und blinzelt in die Novembersonne. „Der Goldene Windbeutel 2017 für die dreisteste Werbelüge des Jahre geht an Alete“, heißt es auf einem weiteren, großen Schild, mit dem Aktivisten der Verbraucherorganisation foodwatch kurzerhand das Firmenlogo überhängen.

Entgegen den Empfehlungen von Ärzten und Gesundheitsexperten verkauft Alete einen Babykeks mit 25 Prozent Zuckeranteil schon für Säuglinge ab dem achten Monat „zum Knabbernlernen“ – dafür hat Alete heute den Goldenen Windbeutel erhalten. Bei der Online-Wahl von foodwatch zur dreistesten Werbelüge des Jahres hatten in den vergangenen Wochen mehr als 73.000 Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Stimme abgegeben, rund die Hälfte entschied sich unter den fünf Kandidaten für das Alete-Produkt. Der Babynahrungshersteller nahm den Negativpreis allerdings nicht an – die foodwatch-Aktivisten standen vor verschlossenen Türen. Als sie um das bereits vorab angefragte Gespräch mit der Alete-Geschäftsführung baten, wies sie ein Wachmann aus dem Firmengebäude. Von der Unternehmensleitung wollte sich niemand vor den wartenden Journalisten äußern. Lediglich auf einem Aushang an der Eingangstür bezog Alete Stellung und verteidigte seinen Babykeks gegen Kritik: Schließlich würden „alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten“ und der Zuckergehalt sei „deutlich gekennzeichnet“. Zudem würde auf der Packung erläutert, wie die Angabe „babygerecht“ zu verstehen sei: „für die kleine Hand zum Selberessen“. „Das ist weder dreist noch gelogen“, so Alete. Nach dem Start der Windbeutel-Wahl hatte Alete bereits reagiert und Anfang November angekündigt, seinen Babykeks immerhin nicht länger auf der Packung als „babygerecht“ zu bezeichnen und die Rezeptur zu verändern.

„Wenn selbst Babyprodukte eines Babynahrungshersteller nicht babygerecht sind, worauf sollen sich Verbraucherinnen und Verbraucher dann im Supermarkt noch verlassen können? Alete bereichert sich auf Kosten der Kindergesundheit! Der Babynahrungshersteller ignoriert nicht nur die Kritik von zehntausenden Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern auch die Empfehlungen von Ärzten und Ernährungsexperten“, sagte Sophie Unger von foodwatch, „Wahlleiterin“ für den Goldenen Windbeutel. Die Verbraucherorganisation forderte Alete auf, das Produkt vom Markt zu nehmen und sein Sortiment zu überarbeiten. Denn obwohl Experten von zugesetztem Zucker für Babys abraten, hat Alete etwa 30 Prozent seiner Babyprodukte Zucker beigemischt, unter anderem Joghurts, Grießbrei, Puddings oder auch Keksen. Verbraucherinnen und Verbraucher können den Aufruf an Alete unter www.alete-aktion.foodwatch.de unterstützen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa rät für die Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern explizit von zugesetztem Zucker ab. Auch das von der Bundesregierung ins Leben gerufene Netzwerk „Gesund ins Leben“ empfiehlt als Beikost für Säuglinge „Produkte ohne Zugabe von Zucker“. Alete vermarktet seinen zuckrigen Keks dennoch ab dem achten Lebensmonat – und das ganz legal. Denn die EU-Verordnung über Babylebensmittel lässt Lücken: Zwar gibt es zum Beispiel Vorgaben für die Belastung mit Pestiziden, aber selbst Kekse mit einem Zuckergehalt von bis zu 34 Prozent dürfen noch als empfehlenswerte Produkte für Säuglinge beworben werden. Sophie Unger von foodwatch: „Der Fall Alete macht deutlich: Wir brauchen dringend bessere gesetzliche Vorgaben für Babylebensmittel.“

Außer dem Alete Babykeks waren vier weitere Produkte für den Goldenen Windbeutel 2017 nominiert. In einem im Vergleich zu den Vorjahren veränderten Wahlverfahren gingen mehr als 73.000 gültige Stimmen im Wahlzeitraum seit Ende Oktober ein. Die überwältigende Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher stimmte für Alete. Das Ergebnis im Detail:

  1. Platz: Alete Kinderkeks (36.786 Stimmen, entspricht rund 50 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen)
    2. Platz: Unilever: Becel Omega-3 Pflanzenöl (12.139 Stimmen, 16,5 Prozent) 
    3. Platz: Continental Foods: Lacroix Ochsenschwanz Suppe (11.271 Stimmen, 15,3 Prozent)
    4. Platz: Kellogg’s: Urlegenden Müsli Quinoa, Apfel, Cranberries & Chia-Samen (10.169, 13,8 Prozent)
    5. Platz: Bauer: Protein Drink Vanille (3.280, 4,5 Prozent)

foodwatch vergibt den Goldenen Windbeutel in diesem Jahr zum siebten Mal. Die erste Wahl fand 2009 statt. Bisherige Preisträger waren unter anderem der Trinkjoghurt Actimel von Danone (2009), die Milch-Schnitte von Ferrero (2011) und ein Instant-Tee für Kinder von Hipp (2012). Ziel ist es, mit dem Negativpreis auf die systematische, ganz legale Irreführung bei Lebensmitteln hinzuweisen und bessere Gesetze zu erwirken.

Link:

– Ergebnisse der Wahl zum Goldenen Windbeutel 2017: www.goldener-windbeutel.de