Hitzesommer in den Alpen – Auswirkungen auf Berge, Menschen und Hütten

Die Bedienungen auf den Hütten haben alle Hände voll zu tun, Foto: DAV/Hans Herbig

Besucher-Boom auf Alpenvereinshütten

Der Hitzesommer 2018 hat den meisten Hütten des Deutschen Alpenvereins eine steigende Besucherzahl beschert. Sowohl die Zahl der Tagesgäste als auch die der Übernachtungen ist deutlich angestiegen. Auf die gesamte Saison gesehen handelt es sich um eine normale Steigerung von 5 bis 10 Prozent, denn nach einem Boom zu Beginn der Hüttensaison im Mai gab es im Juni wettertechnisch noch einmal einen Dämpfer. Der weitere Verlauf des Sommers führte dann aber insgesamt zum positiven Wachstum. „Viele Hütten sind aufgrund der guten Wettervorhersagen für September und des anhaltend beständigen Wetters bis zum Saisonende ausgebucht“, weiß Hanspeter Mair, Geschäftsbereichsleiter Alpine Raumordnung beim DAV.

Herausforderungen für Wirtsleute und Gäste

Der heiße und trockene Sommer hat vor allem auf Alpenvereinshütten, die auf Regenwasser angewiesen sind, für Wasserknappheit gesorgt. „Die Bereitstellung von Getränken ist dadurch nicht beeinträchtigt, die Wasserversorgung auf der Hütte für Toiletten oder Duschen hingegen schon. Toiletten konnten mancherorts nicht mehr wie gewohnt mit Grauwasser gespült werden und Duschen mussten teilweise gesperrt werden“, erklärt Hanspeter Mair. Wasser ist in den Bergen zu einem raren Gut geworden, das es zu schützen gilt. Wasser sparen gilt daher als oberste Prämisse auf Alpenvereinshütten.

Positive Bilanz des Online-Reservierungssystems

Das beständige Wetter hat die Motivation der Bergsteigerinnen und Bergsteiger für Wanderungen und Hüttentrekkings geschürt und die Nutzung des Online-Reservierungssystems um ein Vielfaches erhöht. Dieses System wurde 2016 eingeführt und immer mehr Alpenvereinshütten des SAC, ÖAV und AVS beteiligen sich daran. Auf einen Blick ist für die Hüttenbesucherinnen und -besucher ersichtlich, wie viele Schlafplätze zur Verfügung stehen und wie die Auslastung im entsprechenden Zeitraum ist. Die Buchungen verteilen sich dadurch von Beginn an besser und der Organisationsaufwand für die Hüttenwirtsleute wird deutlich reduziert. Von dieser sanften Gästelenkung profitieren Gäste und Wirtsleute gleichermaßen.

Gletscherschwund beeinträchtigt den Bergsport

Was den Wanderern und Hüttenwirtsleuten einen fantastischen Sommer und volle Häuser beschert hat, setzt der Bergwelt jedoch stark zu. Bereits jetzt sind viele Gletscher im Alpenraum komplett ausgeapert. Das bedeutet, dass der komplette Winterschnee abgetaut und nur mehr das blanke Eis des Gletschers übrig ist. Gerade aber diese Schneeschicht würde das Eisfeld schützen: „Zum einen reflektiert es Sonnenstrahlen deutlich besser, zum anderen ist es das Nährfeld für den Gletscher: Schnee, der den Sommer überlebt hat, verdichtet sich und wird im Laufe der Zeit zu Gletschereis“, erklärt Mair. Die Folgen der vielen heißen Tage sind in den Ost- und Westalpen bereits deutlich zu spüren: Alpinistinnen und Alpinisten müssen beispielsweise Umwege gehen, da Gletscher nicht mehr über den ursprünglichen Weg betreten werden können, wie am Taschachferner in den Ötztaler Alpen. Der Rückgang des Eises wird auch am Übergang zwischen Fels und Gletscher (Randkluft) deutlich: Hier bilden sich in manchen Gebieten zunehmend große Spalten, die nur mehr mit erhöhtem Aufwand und Risiko überwunden werden können. An der Zugspitze verursacht eine derzeit sehr große Randkluft nicht nur lange Wartezeiten, sondern stellt auch eine zusätzliche Gefahr für Bergsteiger dar: Sie müssen zuerst etwas in die Spalte absteigen, um an den Fels zu gelangen. Außerdem werden Sommerbrücken (Schnee- und Eisbrücken, die über Gletscherspalten führen) zunehmend labil oder schmelzen komplett weg. Andernorts – zum Beispiel am Sustenhorn in den Urner Alpen – bildeten sich durch den Schmelzprozess viele parallele und bis zu einen Meter tiefe Rinnen, die nun mühsam überstiegen bzw. übersprungen werden müssen.

Alpenweiter Trend wird zur Gefahr für Gletscher

Umwege, Wartezeiten an einer vergrößerten Randkluft oder das mühsame Überwinden von Abflussrinnen – einzeln betrachtet sind diese Phänomene nur kleine Schwierigkeiten auf den Wegen zu den Gipfeln. Im Ganzen gesehen belegen sie jedoch einen Trend: „Die Sommer in den Alpen werden immer heißer und auch trockener“, so Hanspeter Mair. Für 2018 verzeichnete das ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) einen Rekord nach dem anderen: bereits der Juni gehörte zu den heißesten Juni-Monaten der zum Teil bis ins 18. Jahrhundert zurückreichende Messgeschichte. Auch der Juli war überdurchschnittlich heiß – und sehr trocken. Und für die Monate August bis Oktober prognostiziert die ZAMG bereits jetzt eine hohe Wahrscheinlichkeit für überdurchschnittlich hohe Temperaturen – schlechte Aussichten für die Gletscher.

Weitere Risiken durch Auftauen des Permafrostbodens

Ist der Gletscherschwund noch offensichtlich, so birgt das Auftauen des Permafrostes in den Alpen eine eher unsichtbare Gefahr: „Permafrost ist der Klebstoff der Alpen“, so Experte Mair, „er erfüllt eine wichtige Funktion im Hochgebirge: So lange Boden, Schutthalden oder Felswände gefroren sind, sind sie auch stabil.“ Bei Erwärmung drohen jedoch Hangbewegungen, Steinschlag und im schlimmsten Fall größere Felsstürze. Auch die Steinschlaggefahr kann durch den schmelzenden Permafrostboden begünstigt werden. Dabei liegt die Permafrostgrenze relativ niedrig: „In den Alpen findet man Permafrost in Nordhängen schon oberhalb von 2.400 Metern, in Südhängen oberhalb von rund 2.900 Metern“, erklärt Mair. Dementsprechend sei der Permafrost kein Phänomen, das nur an den höchsten Alpenbergen vorkomme. „Selbst in Bayern, etwa an der Zugspitze, den Allgäuer Hochalpen oder am Watzmann findet sich Permafrost“, sagt Hanspeter Mair.

Auch die alpine Infrastruktur leidet an der Erwärmung des Bodens: Die Statik mancher Berghütten wird durch den Rückgang des Frostbodens bedroht. So ist zum Beispiel das Hochwildehaus in den Ötztaler Alpen wegen Schäden am Fundament bereits bis auf weiteres geschlossen – eine direkte Folge des Permafrostrückgangs.

Nicht nur Bergsteigerinnen und Bergsteigern wird der Klimawandel heute und in Zukunft vor immer größere Herausforderungen stellen. Auch die Bergwelt wird sich dadurch für immer verändern.