Hütten im Corona-Jahr: Eine durchwachsene Bilanz

Hütten im Corona-Jahr: Eine durchwachsene Bilanz
Foto: © Christof Ursch

Zum Job der Hüttenwirtsleute gehören Kreativität, unkonventionelle Herangehensweisen und Spontanität. Heuer war von allem noch ein bisschen mehr gefragt. Besonders im Herbst.

Der Herbst ist traditionell eine beliebte Wandersaison. Für Alpenvereinshütten sind die Monate von September bis Oktober deswegen auch eine wichtige Zeit. Trotzdem blieben zuletzt viele Tische und Betten leer – insbesondere auf den Hütten in Österreich. Der Grund war neben dem anhaltend schlechten Wetter auch die Corona-Lage. Teile Österreichs, darunter Tirol, wurden vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuft. Entsprechende Reiswarnungen durch das Auswärtige Amt waren die Folge.

Vorgezogene Hüttenschließungen

Wirtsleute von den Alpenvereinshütten in Österreich berichten deshalb, dass nahezu alle Übernachtungen storniert wurden. Tagesgäste kamen ebenfalls nicht in nennenswerter Zahl. Nach einem schwierigen Start im Frühjahr und einem turbulenten Sommer, endet die Saison für zahlreiche Hütten also unbefriedigend. Einige von ihnen schließen deshalb auch früher als ursprünglich geplant. Denn auch ohne Gäste fallen Fixkosten an. „Seit September haben wir praktisch kaum mehr Betrieb, über 95 Prozent der Buchungen wurden storniert“, sagt Raimund Pranger, Wirt der Erfurter Hütte in Tirol.

Saison war besser als befürchtet – dank der Tagesgäste

Für zahlreiche Hütten mit vielen Tagesgästen ist die Saison hingegen gut gelaufen. Die anfänglichen Befürchtungen von verwaisten Tischen und kalten Küchen haben sich zumeist nicht bewahrheitet. Vielmehr sorgte der Run auf die Berge für volle Terrassen. Die Restriktionen in der Gastronomie wurden im Laufe des Sommers immer weiter gelockert. Jedoch blieben die Regelungen in Österreich und Deutschland unterschiedlich. Während in Österreich die Maskenpflicht erst aufgehoben und dann wieder eingeführt wurde, waren Gäste in deutschen Hütten immer verpflichtet, einen Mund-Nase-Schutz zu tragen. Nicht nur die Gäste verloren dabei regelmäßig den Überblick, welche Regeln wo galten. Für das Verständnis war das nicht förderlich.

Im Außenbereich dagegen war bei gutem Wetter ein beinahe regulärer Betrieb möglich. Doch das galt nicht für alle Hütten. Einige von ihnen haben in diesem Sommer überhaupt nicht geöffnet. Entweder weil die Lage nicht attraktiv für Tagesausflügler ist oder weil die Raumstruktur kein Hygienekonzept zulässt. In einigen Fällen kam auch beides zusammen. Für sie war 2020 eine vollkommen verlorene Saison.

In den Unterkünften, die geöffnet hatten, hat sich das Geschehen oft nach draußen verlagert. Die Gasträume haben dieses Jahr eine geringere Rolle gespielt. Das wurde dann auch einigen Hüttenpächterinnen und Hüttenpächter zum Verhängnis. Denn ab September spielte das Wetter nicht mehr mit: viel Regen und ein ungewöhnlich früher Wintereinbruch vermiesten die Bilanz. „Schlechtes Wetter bedeutet meist auch ein schlechtes Geschäft“, fasst Tobias Bachmann vom Spitzsteinhaus in den Chiemgauer Alpen die Situation zusammen. Einige Wirtsleute sind deshalb auch froh, wenn diese ungewöhnliche Saison, die viele als sehr anstrengend empfanden, zu Ende geht.

Gemütlichkeit wird zu Infektionsrisiko

Generell hat dieser Sommer den Wirtsleuten einiges abverlangt: Zuerst der verspätete Saisonstart wegen der Ausgansbeschränkungen im März und April. Dann die Eröffnung mit Hygiene- und Abstandskonzepten, die in den meist engen Hütten nicht ohne Weiteres umzusetzen waren. An einen regulären Übernachtungsbetrieb in den nicht selten 40 Plätze und mehr bietenden Schlaflagern war nicht zu denken. Und dann die Gasträume: Bislang galten die niedrigen Deckenhöhen der oftmals hundert und mehr Jahre alten Hütten als gemütlich. Jetzt gelten sie als ein Infektionsrisiko.

Im Laufe des Sommers wurden die Reisebeschränkungen gelockert und Urlaub in Deutschland und seinen Nachbarländern war beliebt wie lange nicht. Doch der Andrang auf die Alpen traf auf massiv reduzierte Beherbergungskapazitäten. Einige Hütten durften ihre Schlaflager und Zimmer von behördlicher Seite mit kaum mehr als 25 Prozent belegen. „Unsere Alpenvereinshütten haben eine wichtige Schutz- und Lenkungsfunktion, die wir unbedingt aufrechterhalten müssen“ sagt Roland Stierle, DAV-Vizepräsident. Doch wenn drei von vier Betten leer bleiben müssen, wird der Erhalt der Hütten auf Dauer nicht möglich sein.

Ausblick auf den Winter: Winterräume nur für Notfälle

Eine Entspannung der Situation ist bislang nicht in Sicht. Die Infektionszahlen steigen seit Oktober stetig, nahezu ganz Europa gilt mittlerweile als Risikogebiet. Allerdings ist auch nur ein kleiner Teil der 67 bayerischen und 183 österreichischen Hütten des DAV im Winter geöffnet.

Und auch die DAV-Winterräume stehen den Bergsportlerinnen und -sportlern nicht wie gewohnt zur Verfügung: Sie sind ausschließlich für Notfallsituationen offen. Touristische Übernachtungen in Winterräumen von DAV-Hütten sind dagegen weder in Deutschland noch in Österreich möglich. Für Winterräume des Österreichischen Alpenvereins gelten eigene Regeln.

 

Stimmen der Hüttenwirtsleute

Franziska Schwinghammer, Hörnlehütte, Ammergauer Alpen

Die Infektionszahlen sind hier in der Region nicht so stark gestiegen. Aber man merkt schon, dass aus zum Beispiel München weniger Gäste kamen. Das schlechte Wetter hat uns auch getroffen. Die Leute sitzen lieber draußen als in der Hütte. Im November haben wir bei gutem Wetter Tagesbetrieb, aber das ist noch nicht sicher. Die Situation momentan ist etwas unplanbar.

Tobias Bachmann, Spitzsteinhaus, Chiemgauer Alpen

Nachdem Tirol zum Risikogebiet erklärt wurde, sind die Übernachtungen um 90 Prozent zurückgegangen, das hat man sofort gespürt. Wir haben zum Glück viel Tagesgeschäft. Da wir so nah an der Grenze sind, wissen viele gar nicht, dass das Spitzsteinhaus bereits in Tirol liegt. Schwierig ist, dass sich die Maßnahmen täglich ändern. Bei schlechter Witterung erkennt man die Markierungen nicht gut. Schlechtes Wetter bedeutet also meist ein schlechtes Geschäft. Für die Zukunft hoffen wir, dass sie uns nicht ganz zusperren lassen.

Hermann Iser, Neue Magdeburger Hütte, Karwendel

Wir sind bereits am 18. Oktober abgestiegen. Die 150 Buchungen, die wir in der letzten Zeit noch gehabt hätten, haben alle abgesagt. Einheimische Gäste haben wir kaum, alles hängt vom deutschen Tourismus ab. Nach der offiziellen Reisewarnung war nichts mehr los, das hat weh getan. Wir hoffen, dass der nächste Sommer besser wird. Die Betriebslosten und das Personal müssen schließlich bezahlt werden.

Man merkt auch, dass den Leuten das Geld fehlt, sie konsumieren weniger. Für die Wirtsleute ist das wichtig, die leben schließlich von der Gastronomie. Von der Sektion wurden wir zum Glück unterstützt. Aber die deutsche Politik setzt uns schon sehr unter Druck.

Raimund Pranger, Erfurter Hütte, Rofangebirge

Die steigendenden Infektionszahlen und die Reisewarnung haben sich natürlich sehr negativ auf die Zahlen ausgewirkt. Seit September haben wir praktisch kaum mehr Betrieb, mehr als 95 Prozent der Buchungen wurden storniert. Das lag aber auch am schlechten Wetter. Bis dahin war der Sommer sehr turbulent mit zwar weniger Übernachtungsgästen, dafür mehr Tagesgästen.

Die Saison war sehr anstrengend, sowohl physisch als auch psychisch. Nicht zuletzt durch das ganze Regel-Wirrwarr der Regierungen. Dass Gäste einsichtiger, geduldiger und entspannter wären, konnte man leider auch nicht sagen. Wir sind froh, dass wir diese herausfordernde Saison ohne Zwischenfälle zu Ende bringen konnten. Am ersten November schließen wir und können dann hoffentlich in eine halbwegs normale und gute Wintersaison starten.