München fällt beim ADFC-Fahrradklima-Test weiter zurück

München fällt beim ADFC-Fahrradklima-Test weiter zurück
Foto: Tobias Hase / ADFC

Im Herbst 2018 waren alle RadlerInnen beim achten Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) aufgerufen, die Fahrradfreundlichkeit ihrer Stadt oder Gemeinde zu bewerten. Erstmals wurde dabei zusätzlich die Familienfreundlichkeit abgefragt. Bundesweit haben rund 170.000 Menschen am Fahrradklima-Test teilgenommen. In München gaben über 2800 RadlerInnen ihr Votum ab – 700 mehr als 2016. Dabei ist München auf Platz 6 der 14 deutschen Großstädte mit über 500.000 Einwohnern gelandet und hat sich in der Gesamtbewertung mit einer Note von 3,99 erneut verschlechtert. Den 6. Platz erreicht die Landeshauptstadt jedoch nur, weil 2018 die Ortsgrößenklasse „Über 500.000 Einwohner“ neu hinzugekommen ist. Legt man das Ortsgrößenklassen-System von 2016 zugrunde, käme München auf Platz 16 und rutscht somit um drei Plätze ab.
Im Landkreis München kamen sechs Gemeinden mit insgesamt rund 500 TeilnehmerInnen in die Auswertung. Dort schneidet die Gemeinde Oberhaching mit der Note 2,98 und Platz 12 bei den Orten unter 20.000 Einwohner am besten ab.

Über 500.000 Einwohner (14 Städte bundesweit in der Bewertung)

  • München: Note 3,99. Platz 6 bundesweit, leichte Verschlechterung.
    (2016: Note 3,78). Familienfreundlichkeit: Note 4,23. Platz 5

    Erläuterung: 2018 ist die Ortsgrößenklasse „Über 500.000 Einwohner“ neu hinzugekommen, daher liegt die Landeshauptstadt auf Platz 6 von14 Städten (2016: Platz 13 von 39 Städten). Rechnet man die Größenklasse „Über 200.000 Einwohner“ wieder hinzu, wäre München auf Platz 16 von 39 Städten und damit drei Plätze abgerutscht.

Über 20.000 – 50.000 Einwohner (311 Städte bundesweit in der Bewertung)

  • Unterschleißheim: Note 3,59. Platz 64 bundesweit, starke Verschlechterung
    (2016: Note 3,33). Familienfreundlichkeit: Note 3,66. Platz 67
  • Unterhaching: Note 3,64. Platz 71 bundesweit, leichte Verschlechterung
    (2016: Note 3,46). Familienfreundlichkeit: Note 3,54. Platz 51
  • Ottobrunn: Note 3,99. Platz 183 bundesweit,
    (2016: nicht bewertet). Familienfreundlichkeit: Note 3,99. Platz 141

    Erläuterung: 2018 sind neue Ortsgrößenklassen hinzugekommen, daher ist ein Vergleich der Plätze zu 2016 nicht möglich.

Unter 20.000 Einwohner (186 Orte bundesweit in der Bewertung)

  • Oberhaching: Note 2,98. Platz 12 bundesweit,
    (2016: nicht bewertet). Familienfreundlichkeit: Note 2,93. Platz 8
  • Garching: Note 3,21. Platz 20 bundesweit,
    (2016: nicht bewertet). Familienfreundlichkeit: Note 3,27. Platz 23
  • Unterföhring: Note 3,86. Platz 103 bundesweit,
    (2016: nicht bewertet). Familienfreundlichkeit: Note 3,99. Platz 94

Ergebnisse der Landeshauptstadt München

Keine konsequente Radverkehrspolitik der Stadt
Die Gründe für das schlechte Abschneiden der Landeshauptstadt München (Gesamtnote 3,99) sind nach Einschätzung des ADFC München klar: Münchens RadlerInnen spüren sehr genau, dass die Bedürfnisse der Autofahrer vorrangig bedient werden. Extrem negative Bewertungen erhält die Landeshauptstadt für die Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen (Note 5,1) und die Breite der Radwege (Note 5,0). Beide Punkte wurden schon 2016 stark bemängelt, 2018 sind sie noch weiter abgerutscht. Auch die schlecht abgestimmten Ampelschaltungen (Note 4,9) und die häufigen Konflikte mit Autofahrern (Note 4,7) beklagen die MünchnerInnen massiv. Nach wie vor sind auch die oft unzumutbare Führung des Radverkehrs im Baustellenbereich (Note 4,6) und das gefahrvolle Fahren mitten im Kfz-Verkehr (Note 4,6) Kritikpunkte. Darüber hinaus fehlt es nach Ansicht der RadlerInnen immer noch an einem attraktiven Angebot zur Fahrradmitnahme im MVV (Note 4,8). Positiv bewertet werden das Angebot an Leihrädern (Note 2,5), die Zahl der in Gegenrichtung befahrbaren Einbahnstraßen (Note 2,8) und die – im Vergleich zu anderen Großstädten – relativ geringe Zahl von Fahrraddiebstählen (Note 3,7).

„Die Radinfrastruktur in München ist größtenteils veraltet, deutlich unterdimensioniert, vielfach unterbrochen und teilweise weder sicher noch komfortabel nutzbar“, erklärt Andreas Groh, 1. Vorsitzender des ADFC München. „Angesichts von Münchens Bevölkerungswachstum, drohendem Dauerstau, Klimawandel und der Luftreinhalteproblematik brauchen wir dringend eine stärkere Förderung und Steigerung des Radverkehrs und ein adäquates, leistungsfähiges Radwegenetz.“

Familienfreundlichkeit? Fehlanzeige
Auch bei den 2018 erstmals gestellten Fragen zur Familienfreundlichkeit gibt es für die Radinfrastruktur der Landeshauptstadt durchgehend schlechte Werte. Die Befragten beklagen vor allem, dass man Kinder im Grundschulalter nicht allein mit dem Rad fahren lassen kann (Note 4,5) und die Radwege mit Kinderanhängern und Lastenrädern nur schlecht befahrbar sind (Note 4,5). Auch fehlt die Unterstützung, zum Beispiel durch Rad-Schulwegpläne, damit Kinder sicherer zur Schule radeln (Note 4,2).

Forderungen des „Radentscheid München“
Auch in den rund 1500 Kommentaren ärgern sich die Münchner TeilnehmerInnen des Fahrradklima-Tests massiv über die Missstände, die der ADFC München jetzt mit dem Bündnis „Radentscheid München“ mittels zweier Bürgerbegehren abstellen will. Dessen Forderungen umfassen sichere, breite und komfortable Radwege, ein stadtweites, lückenloses und engmaschiges Radverkehrsnetz, sichere Kreuzungen und Einmündungen sowie bedarfsgerechte, flächendeckende Fahrradabstellmöglichkeiten und eine flächeneffiziente und sozial gerechte Aufteilung des öffentlichen Raums. Darüber hinaus will die Rad-Initiative einen durchgängigen, sicheren Altstadt-Radlring durchsetzen. „RadlerInnen jeden Alters – vom Schulkind bis zu den Großeltern – sollen geschützt, zügig und entspannt unterwegs sein können“, erklärt Andreas Groh, „das ist unser Ziel.“

Ergebnisse der Gemeinden im Landkreis München
Im Landkreis München kann Oberhaching (Gesamtnote 2,98) vor allem mit der Erreichbarkeit des Ortszentrums (Note 1,8) und der Möglichkeit, zügig Rad zu fahren (Note 1,9) punkten. Insgesamt macht den Oberhachinger TeilnehmerInnen radeln mehr Spaß als Stress (Note 2,3). Bemängelt werden vor allem das unzureichende Angebot an Leihrädern (Note 5,0) und ungenügenden Mitnahmemöglichkeiten von Rädern im MVV (Note 4,0). Auch die Führung an Baustellen kritisieren die RadlerInnen (Note 3,5).

Ähnlich sieht es in Garching (Gesamtnote 3,21) aus. Die Erreichbarkeit des Ortszentrums (Note 1,8) und die Möglichkeit, zügig Rad zu fahren (Note 2,1) werden am besten bewertet. Auf der Negativseite zu Buche schlagen die ungenügenden Mitnahmemöglichkeiten der Räder im MVV (Note 4,4), die mangelhafte Breite der Radwege (Note 4,1), die schlecht abgestimmten Ampelschaltungen (Note 4,1) und die spärliche Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen (Note 4,1).

In Unterschleißheim (Gesamtnote 3,59) ärgern sich dir RadlerInnen noch massiver als 2016 über die unzureichende Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen (Note 4,8), zudem stoßen sie sich weiterhin am Leihrad-Angebot (Note 4,6) und an der mangelhaften Breite der Radwege (Note 4,5). Die höchsten Bewertungen gibt’s auch hier für die Erreichbarkeit des Ortszentrums (Note 2,2) und die Möglichkeit, zügig Rad zu fahren (Note 2,6).

Auch in Unterhaching (Gesamtnote 3,64) werden die Erreichbarkeit des Ortszentrums (Note 2,1) und der Möglichkeit, zügig Rad zu fahren (Note 2,4) am stärksten gelobt. Die schlechtesten Noten erhält die Gemeinde für die Breite der Radwege (Note 4,5), das Leihrad-Angebot (Note 4,5) und die schlecht abgestimmten Ampelschaltungen (Note 4,4).

In Unterföhring (Gesamtnote 3,86) bewerten die TeilnehmerInnen ebenfalls die Erreichbarkeit des Stadtzentrums (Note 2,6) und die Möglichkeit, zügig Rad zu fahren (Note 2,9) am besten. Hauptkritikpunkte hier: die fehlende Fahrradförderung in jüngster Zeit (Note: 4,8), ungenügende Mitnahmemöglichkeiten der Räder im MVV (Note 4,7), schlecht abgestimmte Ampelschaltungen (Note 4,6) und die zu geringe Breite der Radwege (Note 4,5).

Den RadlerInnen in Ottobrunn (Gesamtnote 3,99) haben zahlreiche Kritikpunkte: das ungenügende Leihrad-Angebot (Note 4,9), die schlecht abgestimmten Ampelschaltungen (Note 4,7), die unzureichende Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen (Note 4,7) und das Fahren mitten im Kfz-Verkehr (Note 4,7) bemängeln sie am heftigsten. Dafür erreichen Sie das Ortszentrum gut (Note 2,4) und sind weitgehend zufrieden mit den Möglichkeiten, zügig Rad zu fahren (Note 2,9).

Auch im Landkreis ist es aus Sicht des ADFC wichtig, nachhaltige Mobilität zu stärken. Viele Menschen im Umland fahren zur Arbeit nach München, aber auch in umgekehrter Richtung herrscht starker Pendlerverkehr. Daher müssten die Gemeinden alles tun, um die EinwohnerInnen zu überzeugen, verstärkt das Rad zu nutzen. Per E-Bike sind längst auch längere Strecken problemlos zu bewältigen. „Die Menschen steigen aber nur aufs Rad um, wenn die Radverkehrsinfrastruktur gut ausgebaut ist“, betont Andreas Groh. „Der Landkreis hat das erkannt und den Ausbau von Radschnellwegen bereits forciert. Auch das Angebot an Leihrädern wurde zwischenzeitlich vorangetrieben.“

Überblick der bundesweiten Ergebnisse
Sämtliche Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests 2018 gibt es auf www.fahrradklima-test.de/karte. Die Rangliste der fahrradfreundlichsten Städte finden Sie unter dem Reiter „Städteranking“. Die Ergebnisse einzelner Städte gibt es im PDF bei Zoom auf die Karte oder Eingabe des Stadtnamens. Einordnungen und Hintergründe gibt es in unserem Dossier zum ADFC-Fahrradklima-Test