OB Reiter fordert: Corona-Tests für Schüler*innen zu Hause zulassen

Foto: Michael Nagy / Presseamt München

Oberbürgermeister Dieter Reiter hat heute in einem Schreiben an Gesundheitsminister Klaus Holetschek und Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo gefordert, dass Schülerinnen und Schüler die in der Schule vorgesehenen Selbst-Tests zu Hause durchführen können. Das sei, so Oberbürgermeister Reiter, schon aus infektiologischen Gründen einer Testung in der Schule vorzuziehen, da die Schüler*innen im Fall eines positiven Testergebnisses gar nicht erst in die Schule fahren würden. Die Kontakte auf dem Weg zur Schule oder in der Schule könnten so ausgeschlossen werden. Ein wichtiger Grund für eine Testung zu Hause sei außerdem, dass im Fall eines positiven Testergebnisses eine mögliche Stigmatisierung des Kindes verhindert werden könne. Gerade für Grundschulkinder sei das eine große psychische Belastung, die besser im Kreis der Familie aufgefangen werden könne. Zudem stellten die regelmäßigen Schultests auch für die Lehrkräfte eine zusätzliche Belastung und Verantwortung dar. Hier der Wortlaut des Schreibens:

„Mit Schreiben vom 25.03.2021 hat das Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus über Covid-19-Schutzmaßnahmen an den Schulen in Bayern und darüber informiert, wie der Unterrichtsbetrieb in den Schulen nach den Osterferien weitergehen kann. Wie bereits im Bericht aus der Kabinettssitzung vom 23.03.2021 angekündigt, enthält nun auch die Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung nach der gestern verkündeten Änderung klare und verbindliche Vorgaben, wie Schüler*innentestungen umzusetzen sind. Vorgesehen ist, dass Selbsttests im Schulbereich sowohl auf freiwilliger Basis bei einer 7-Tage-Inzidenz bis 100 als auch als Zugangsvoraussetzung zum Präsenzunterricht für Abschlussklassen ab einer 7-Tage-Inzidenz über 100 zur Anwendung kommen sollen. Für den Bereich einer Inzidenz von über 100 ist für die Abschlussklassen, die Q11 an Gymnasien und Fachoberschulen sowie der entsprechenden Stufe der Abendgymnasien und Kollegs und die 4. Klassen der Grundschulen sowie der Grundschulstufe der Förderzentren geregelt, dass neben einem negativen PCR- oder PoC-Antigen-Schnelltest zur Zulassung zum Präsenzunterricht von den Schüler*innen ein ausschließlich in den Schulen vor Ort unter Aufsicht durchgeführter Selbsttest mit negativem Ergebnis akzeptiert wird. Ein zu Hause durchgeführter Selbsttest reicht demgegenüber hierfür nicht aus.

Selbstverständlich ist das Vorhaben, die Öffnung der Schulen durch die flächendeckende Testung von Schüler*innen vor Unterrichtsbeginn zu sichern, grundsätzlich sehr zu begrüßen. Aus meiner Sicht ist das Angebot eines in der Schule unter Aufsicht durchgeführten Selbsttests allerdings nicht geeignet, hier eine niederschwellige, den Bedürfnissen der Schüler*innen und Eltern gerecht werdende Testmöglichkeit zu schaffen. Eine Testung der Schüler*innen in den Schulen bringt vielmehr offensichtliche und gewichtige Nachteile mit sich und stellt sich auch aus infektiologischer Sicht als ausgesprochen kontraproduktiv dar. Ich halte die entsprechende Vorgabe daher für zu eng gefasst und appelliere an Sie, Schüler*innen die Möglichkeit zu eröffnen, Selbsttests nicht erst in der Schule, sondern bereits vorab zu Hause durchzuführen, um hierdurch eine größtmögliche Sicherheit für die Schulgemeinschaften, aber auch eine individuell rücksichtsvolle Behandlung der einzelnen Schüler*innen zu gewährleisten.

Die Identifikation eines/r infizierten Schüler*in und deren/dessen zeitnahe Isolierung kann dazu beitragen, die Weiterverbreitung des Virus zu reduzieren und die Sicherheit wie auch das Sicherheitsgefühl an den Schulen zu erhöhen. Findet diese Identifikation allerdings erst in der Schule statt, befindet sich das Virus bereits vor Ort. Die Präsenz einer infizierten Person führt jedoch nicht zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl, sondern ist diesem vielmehr sogar äußerst abträglich. Auch eine Weiterverbreitung kann zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ausgeschlossen werden. Dies wäre nur möglich, wenn Schüler*innen sich noch zu Hause selbst testen und im Falle eines positiven Ergebnisses gar nicht erst in der Schule erscheinen. Befindet sich ein/e infizierte/r Schüler*in bereits in der Schule und ist dort womöglich auch schon in Kontakt zu anderen Personen getreten, führt dies auch unter Beachtung der allgemeinen Hygienevoraussetzungen mit Blick auf die hohe Übertragbarkeit gerade der sich zunehmend ausbreitenden Virusvariante B1.1.7 zu einem erhöhten Infektionsrisiko für die anwesenden Mitschüler*innen und Lehrer*innen. Auch auf dem Schulweg besteht bereits das Risiko, dass infizierte Schüler*innen, beispielsweise im Öffentlichen Personennahverkehr, zu einer Verbreitung des Virus beitragen, bevor eine Infektion festgestellt werden konnte. Die Durchführung eines Selbsttests zu Hause würde dagegen verhindern, dass infizierte Schüler*innen das Virus unwissentlich in die Gemeinschaft tragen können, da diese in Kenntnis des positiven Testergebnisses zunächst zu Hause bleiben und sich mit Unterstützung der Eltern unter strenger Beachtung von Schutzmaßnahmen einer Nachtestung unterziehen können.

Die Gefahren einer Infektion sind unbestreitbar und hinreichend bekannt. Betroffene Schüler*innen sollten in Kenntnis einer positiven Testung nicht zunächst sich selbst überlassen sein, sondern diese zu großer Verunsicherung führende Nachricht in einer geschützten häuslichen Umgebung, z.B. im Beisein ihrer Familie erhalten. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Tatsache, dass eine positive Testung von Schüler*innen vor dem gesamten Klassenverband zu einer unvermeidbaren Stigmatisierung der Betroffenen führt. Dies ist dem zwingenden weiteren Vorgehen im Falle eines positiven Tests geschuldet, das eine Absonderung des/der einzelnen Schüler*in vom Klassenverband vorsieht und damit bereits ein negatives Signal sendet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Infektion mit dem Coronavirus mittlerweile nicht mehr nur bei den Betroffenen selbst, sondern auch bei deren Kontaktpersonen, also bei Mitschüler*innen und Lehrer*innen, zu großer Verunsicherung führt. Schüler*innen, die die Gefahr einer Infektion aktiv in den Klassenverband und von dort vermeintlich mittelbar in die Familien von Mitschüler*innen und Lehrer*innen tragen, werden durch das vorgesehene Vorgehen in Anwesenheit des gesamten Klassenverbands besonders negativ herausgestellt.

Die Testung in schulischer Umgebung ist für Lehrkräfte und Schüler*innen eine psychosoziale Herausforderung, der nicht alle gewachsen sind. Vom Zentralen Schulpsychologischen Dienst der Landeshauptstadt München wurde bereits angemerkt, dass in dieser Situation mit heftigen emotionalen Ausbrüchen, angefangen von Furcht, Scham bis hin zu sozialer Ausgrenzung sowohl auf Seiten der Lehrkräfte sowie der Schüler*innen gerechnet werden muss.

In praktischen Tests mit erfahrenen Kolleg*innen an unseren Schulen im Klassenverband hat sich gezeigt, dass der von Ihnen angegebene zeitliche Rahmen nicht einzuhalten ist. Damit wird wertvolle Unterrichtszeit in Präsenz vergeudet, die eigentlich für das Aufholen pandemiebedingter Lücken von Fachwissen verwendet werden muss. Die angekündigten Tutorenprogramme greifen hier zu kurz.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass eine Beaufsichtigung der Selbsttestungen durch das Lehrpersonal nicht zwingend zu einer besseren Gewährleistung der korrekten Anwendung der Selbsttests beiträgt und daher als Argument für Testungen vor Ort ebenfalls nicht überzeugen kann. Lehrer*innen sind kein medizinisches Fachpersonal und damit für die Überwachung des Testvorgangs nicht besser oder schlechter geeignet als die Eltern der Schüler*innen.

Abschließend weise ich darauf hin, dass sich der Nutzen flächendeckender Selbsttests in Schulen in Österreich laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e. V., veröffentlicht am 14.03.2021, durchaus als gering herausgestellt hat, weshalb der mit einer beaufsichtigten Testung in der Schule verbundene Aufwand – auch jenseits der oben genannten Argumente – kaum gerechtfertigt erscheint.

Ich fordere Sie daher auf, Schüler*innen und Eltern die Möglichkeit zu eröffnen, Selbsttests bereits vor Unterrichtsbeginn zu Hause in einer vertrauten und sicheren Umgebung durchzuführen. Eine Testpflicht, die neben der Durchführung eines PCR oder PoC Antigen-Schnelltests nur einen in den Schulen unter Aufsicht durchgeführten Selbsttest als Teilnahmevoraussetzung für den Präsenzunterricht in Abschlussklassen ab einer 7-Tage-In- zidenz über 100 eröffnet, ist weder sachgerecht noch wird sie dazu führen, die ohnehin schon hohe Belastung auf Seiten der Schüler*innen und Eltern auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.“