Studien zeigen: Junge Erwachsene ab 18 Jahren in der Pandemie besonders belastet

Studien zeigen: Junge Erwachsene ab 18 Jahren in der Pandemie besonders belastet

Klinik für Psychosomatik der München Klinik Harlaching richtet Therapieangebot speziell an junge Erwachsene (+ Tipps der Experten zu Studium, Berufseinstieg, Dating und Zukunftsplanung in der Pandemie)

Für junge Erwachsene ab 18 Jahren verändert sich das private und berufliche Leben stärker als in anderen Lebensphasen, was diese Altersgruppe vor besondere psychische Herausforderungen stellt. In der Pandemie ist die Bedeutung dessen nochmals größer, denn auch wenn die Studienlage nicht ganz einheitlich ist zeigen doch hochrangige Studien, dass psychische Belastungen sich – parallel zum Virus – ausbreiten und gerade junge Menschen von den notwendigen Einschränkungen und Maßnahmen seelisch besonders betroffen sind. So berichteten die Teilnehmer der deutschlandweit größten Kohorten-Gesundheitsstudie NAKOS während der Pandemie insgesamt über mehr wahrgenommenen Stress – besonders zugenommen hatten die Depressions- und Angstsymptome in der Gruppe der Erwachsenen zwischen 20 und 39 Jahren. Auch eine Publikation aus Österreich an der Donau-Universität Krems stellte einen deutlichen Anstieg an Schlafstörungen, Angststörungen und depressiven Symptomen bei Menschen zwischen 18 und 24 Jahren fest. Aber auch wenn es nicht gleich zu einer schweren psychischen Erkrankung kommt leiden viele junge Menschen sehr unter den Belastungen, die aus den verschiedenen Beschränkungen und deren Konsequenzen resultieren.

Neues Therapieangebot für junge Erwachsene (18-28 Jahre) in Harlaching

Seit April 2020, also seit gut einem Jahr, bietet die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der München Klinik Harlaching ein maßgeschneidertes Therapieangebot speziell für junge Erwachsene im Alter von 18 bis 28 Jahren an. Hier werden junge Menschen unterstützt, die beispielsweise ihren Alltag nicht mehr bewältigen können, sich emotional stark belastet fühlen oder unter Ängsten leiden. Das Angebot richtet sich auch an junge Erwachsene, die unter körperlichen Beschwerden leiden, für die keine ausreichende körperliche Ursache gefunden wurde oder die Probleme in Beziehungen, Ausbildung oder Beruf haben. Nicht selten bestehen bei den Patientinnen und Patienten auch Schwierigkeiten, den Schritt aus der Familie in ein eigenständiges Leben zu vollziehen. Darüber hinaus sind natürlich auch Partnerschaft und Sexualität wichtige Themen, die im Behandlungsangebot ihren festen Platz haben. „Wir haben dieses spezielle Angebot eingerichtet, da junge Erwachsene von einem eigenen Setting profitieren, in dem sie sich öffnen können und unvoreingenommenes Verständnis für ihre individuelle Situation finden. In der Behandlung spielt auch die „peer-group“ auf der Station eine wichtige und hilfreiche Rolle. Durch unser Therapieangebot unterstützen wir die jungen Erwachsenen aktiv dabei, Orientierung zu finden, Perspektiven zu erarbeiten, ihre eigene Identität zu stärken und einen besseren Bezug zu sich selbst zu entwickeln. Dass unser neues Programm parallel zum ersten Lockdown gestartet ist, war Zufall, doch die Nachfrage zeigt uns, wie hoch der Bedarf gerade jetzt ist. Uns erreichen jeden Monat sehr viele Anfragen, dennoch versuchen wir, die Wartezeiten für Betroffene so kurz wie möglich zu halten und sind froh, den meisten Patienten binnen weniger Wochen einen Behandlungsplatz anbieten zu können“, so Dr. Martin Herold, Leitender Oberarzt und Leiter des Therapieangebots für junge Erwachsene. Die Behandlungsdauer beträgt meist ca. 8 Wochen. Dazu wird für jeden Patienten aus verschiedenen Therapiebausteinen ein individuelles psychosomatisches Behandlungsprogramm erstellt – darunter Einzel- und Gruppenpsychotherapie, Körpertherapie, Sport- und Freizeitangebote sowie Entspannungs- und Achtsamkeitsgruppen. Auch ein soziales Kompetenztraining und soziale Beratungen zur beruflichen oder finanziellen Situation sind Teil der Behandlung.

Dr. Matthias Nörtemann (Chefarzt) und Dr. Martin Herold (Leitender Oberarzt und Leiter des Therapieangebotes für junge Erwachsene) aus der Psychosomatik der München Klinik Harlaching geben Tipps, wie junge Menschen ihre persönlichen Herausforderungen in der Pandemie meistern:

Dr. Matthias Nörtemann über den Berufsstart: Die ersten Tage im Job oder in der Ausbildung sind immer aufregend, bis sich die Aufregung irgendwann in Routine wandelt. In der Pandemie wird dieser Prozess erschwert und unter Umständen verlängert, z.B. durch Einarbeitung per Zoom oder Telefon oder auch die fehlenden Möglichkeiten, die neuen Kolleginnen und Kollegen in der Kaffeeküche kennenzulernen – mit deren Persönlichkeiten und kompletten Gesichtern. Gerade für introvertierte Menschen erschwert das den Start deutlich und Ängste und Unsicherheit bleiben durch die Distanz im beruflichen Alltag länger bestehen. Erfreulicherweise haben sich viele Firmen bereits darauf eingestellt und digitale Möglichkeiten für Teamevents geschaffen, die neuen Kolleginnen und Kollegen das Kennenlernen in entspannter Atmosphäre ermöglichen. Wo das nicht der Fall ist, kann man auch auf Eigeninitiative vorschlagen, einen „Einstand“ mit dem Team per Videochat zu feiern. Ganz generell: Wer seine Kollegen gut kennt und weiß, an wen er sich bei Fragen wenden kann, der wird die anfänglichen Ängste im Beruf schneller ablegen. Aber wenn die Situation in eine chronische Besorgtheit übergeht, die den Alltag behindert und vielleicht mit körperlichen Beschwerden einhergeht, dann kann es sich auch um eine tiefergehende Angststörung handeln. Ein Gespräch darüber mit dem Hausarzt oder einem Facharzt hilft oft, denn Angststörungen sind gut behandelbar.

Dr. Martin Herold über Dating und Partnersuche: Social Distancing ist besonders für Menschen schwer, die alleine leben – in München ist das jeder Dritte. Für Singles, die sich eine Partnerschaft wünschen, entfallen durch die notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen auch viele Möglichkeiten, jemanden kennenzulernen. Das kann das Gefühl von Einsamkeit nochmals verstärken. Deswegen ist es für Alleinstehende in der Pandemie besonders wichtig, Routinen beizubehalten, den Tag zu strukturieren und mit Freunden und Familie digital in Kontakt zu bleiben. Auch Sport in den eigenen vier Wänden oder an der frischen Luft in den Alltag zu integrieren kann hilfreich sein, Halt geben, das eigene Wohlbefinden steigern und auch wieder Lust auf die Partnersuche machen. Dazu gibt es auch in der Pandemie einige Möglichkeiten, z.B. auf digitalem Weg – und das Spaziergang-Date ist für viele Singles schon fast so normal, wie zuvor ein Treffen in einer Bar oder einem Café. Falls sich das Gefühl der Einsamkeit verstärkt und dazu eine ständige Müdigkeit, Antriebslosigkeit und eine dauerhafte Verstimmung mit negativem Gedanken kommen, sollten die Betroffenen sich an einen Hausarzt oder Facharzt wenden, damit eine hilfreiche und vielleicht sogar notwendige Behandlung eingeleitet werden kann.

Dr. Matthias Nörtemann über das Studium: Studenten trifft die Pandemie besonders und auf sehr unterschiedliche Weise. Es fehlen die gewohnten Präsenzveranstaltungen, die begleitenden Sozialkontakte, die gemeinsamen Treffen in Lerngruppen. Das ist für Studierende nicht nur Luxus, sondern ein wichtiger Bestandteil des Studiums. Und auch die Vorfreude auf die Party, wenn alles vorbei ist, ist wichtig und hat ihre Berechtigung, nicht zuletzt als ein Ritual, das die umfassenden Veränderungen in dieser Lebensphase begleitet. Ein Gefühl der Unsicherheit ist in diesen Tagen sicherlich normal und angemessen, doch wenn einen die Ängste vor der nächsten Prüfung oder vor der unsicheren „Zeit danach“ übermannen oder wenn übermäßiger Stress den Fokus auf die Prüfungsvorbereitung verhindert, dann kann das die Lebensqualität wie auch den Studienverlauf stark beeinträchtigen und ein Warnsignal sein. Oft hilft es, sich anderen mitzuteilen, um zu erkennen, dass man mit seinen Sorgen nicht alleine steht. Viele Studenten plagen auch finanzielle Nöte, da z.B. der Nebenjob in der Gastronomie ersatzlos entfallen ist. Hinzu kommen Einsamkeit und soziale Isolation, eine fehlende Alltagsstruktur oder die Sorge vor einem möglicherweise verlängerten Studium, wenn Kurse nicht stattfinden oder sich kein Unternehmen für den Praxisteil der Bachelorarbeit findet. Solche existenziellen Sorgen und Ängste können bei vorbelasteten Menschen depressive Symptome verstärken oder solche auch neu hervorrufen. Wer bemerkt, dass ihm der Antrieb fehlt, der Schlaf schlechter wird, der Appetit verloren geht und auch beim Kontakt mit Familie und Freunden keine rechte Freude mehr aufkommt, der tut gut daran sich Unterstützung zu suchen. Leichte oder mittelschwere Depressionen können mit Psychotherapie sehr gut behandelt werden, gemeinsam mit dem Therapeuten lässt sich so die Lebensfreude zurückgewinnen.

Dr. Martin Herold über Zukunftsplanung und -ängste: Zukunftsangst trifft viele junge Menschen in Phasen des Umbruchs, sei es nach dem Schulabschluss oder nach dem Studium bei der Jobsuche und bei Bewerbungsgesprächen. Oft fällt es auch schwer, die eigene Unsicherheit vor anderen Menschen offen zuzugeben, aus Angst auf Unverständnis, Häme und die beliebte Aufforderung zu stoßen, sich „doch einfach aus der eigenen Komfortzone herauszubewegen“. Doch es ist wichtig, Ängste nicht in sich „hineinzufressen“, da dies oftmals noch zu einer Verstärkung der Problematik führen kann. Die erschwerten Bedingungen für Ausbildungssuche, Studienbeginn und Jobeinstieg haben die Angst vor diesen Schritten etwas legitimiert.

In den bundesweiten Online-Befragungen „Jugend und Corona“ gaben zwei Drittel der Befragten an, wegen Corona Zukunftsängste zu verspüren und auch die Beratungskontakte beispielsweise in Studentenwerken sind gestiegen. Es bleibt zu hoffen, dass ein offener Umgang mit diesen Problemen und Herausforderungen auch nach der Pandemie beibehalten wird – denn Umbruch fällt vielen schwer und ein Gemeinschaftsgefühl kann helfen, Veränderungen selbstbewusster anzugehen.

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit vollumfänglichem Behandlungsspektrum

Ein großes Team aus Ärzten, Psychologen, Pflegekräften, Sozialpädagogen und Therapeuten der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie hilft Betroffenen zurück ins Gleichgewicht. Ziel ist es, Beziehungen positiver zu gestalten, mehr Freude am Leben zu verspüren, Stärken zu entdecken, Ressourcen besser zu nutzen und Perspektiven zu entwickeln. Therapeutische Schwerpunkte sind die Therapie seelischer Krisen, Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, chronischer Schmerzen, sowie Essstörungen und Traumafolgestörungen. Patienten werden nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit einer verstehenden und beziehungsorientierten Psychosomatik auf Grundlage der psychodynamischen Psychotherapie behandelt. Elemente anderer Therapieverfahren fließen mit ein, darunter Kunst-, Bewegungs-, Körper-, Sport- und Physiotherapie. In der aktuellen Situation steht das psychosomatische Behandlungsangebot den Patienten nahezu uneingeschränkt und unter größtmöglicher Sicherheit zur Verfügung. Ein umfassendes und gut durchdachtes Hygienekonzept hilft dabei.