Landkreis München: Viel Luft nach oben beim Radverkehr

Landkreis München: Viel Luft nach oben beim Radverkehr
Foto: ADFC

15 Kommunen im Landkreis München haben es in die Auswertung beim ADFC-Fahrradklima-Test 2020 geschafft. Das zeigt: Die Bedeutung des Radverkehrs nimmt auch im Umland deutlich zu. Klar wird aber auch: Im Landkreis gibt es noch viel Verbesserungspotenzial.

Im Herbst 2020 waren alle Radfahrenden beim neunten Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) aufgerufen, die Fahrradfreundlichkeit ihrer Stadt oder Gemeinde zu bewerten. Ergänzend zu den 27 Standardfragen zur Bewertung der Radverkehrsbedingungen wurden fünf Zusatzfragen zum Thema „Corona & Radfahren“ gestellt.

15 Gemeinden, 1500 Teilnehmende

Bundesweit haben rund 230.000 Menschen am Fahrradklima-Test teilgenommen. Im Landkreis München kamen in 15 Gemeinden insgesamt rund 1500 Teilnehmende mit ihrem Votum in die Auswertung – 2018 waren es nur sechs Gemeinden mit rund 500 Stimmen. Das zeigt, dass das Thema Radverkehr auch im Umland der Landeshauptstadt an Brisanz gewinnt. Per E-Bike sind längst auch längere Strecken problemlos zu bewältigen, viel mehr Menschen könnten das Rad beim Pendeln zur Arbeit nutzen. Manko: Die Radinfrastruktur ist noch nirgends auf dem Stand, den sich Radfahrer:innen wünschen, das verdeutlicht der ADFC-Fahrradklima-Test erneut.

Hartmut Schüler, Landkreis-Beauftragter des ADFC München, sagt: „Der Landkreis tritt in jüngster Zeit kräftiger in die Pedale, um den Komfort für Radfahrende zu verbessern. Allerdings gibt es fast überall dieselben Probleme: Zugeparkte, zu enge oder fehlende Radwege machen Radfahrenden das Leben schwer. Die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests müssen jetzt Anschub und Ansporn für die Gemeinden sein, endlich bessere Radverkehrsbedingungen zu schaffen. Für Großprojekte, wie Radschnellwege, muss aber endlich auch der Freistaat ran, damit die Umsetzung zügiger voran geht! Die Menschen steigen nur aufs Rad um, wenn die Radinfrastruktur gut ausgebaut ist.“

Die Ergebnisse im Landkreis München

Über 20.000 – 50.000 Einwohner (415 Städte bundesweit in der Bewertung)

  • Unterschleißheim: Note 3,54. Platz 59 bundesweit, konstante Bewertung
    (2018: Note 3,59). Corona & Radfahren: Note 3,91.
  • Unterhaching: Note 3,56. Platz 67 bundesweit, konstante Bewertung
    (2018: Note 3,64). Corona & Radfahren: Note 3,87.
  • Haar: Note 3,65. Platz 87 bundesweit
    (2018: nicht bewertet). Corona & Radfahren: Note 3,61.
  • Ottobrunn: Note 3,70. Platz 112 bundesweit, leichte Verbesserung
    (2018: Note 3,99). Corona & Radfahren: Note 4,18.

In Unterschleißheim (Gesamtnote 3,54) ärgern sich rund drei Viertel aller Teilnehmer:innen – wie schon 2018 – über die unzureichende Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen und die mangelhafte Breite der Radwege (jeweils Note 4,8). Die ungenügenden Mitnahmemöglichkeiten für Räder im ÖPNV (Note 4,3) sorgen ebenfalls für Verdruss. Die höchste Bewertung bekommt das zwischenzeitlich ausgebaute Angebot an Leihrädern (Note 2,3. 2018: Note 4,6), zugleich die einzig deutliche Verbesserung. Gute Noten gibt’s zudem für die Erreichbarkeit des Ortszentrums (Note 2,4) und das Radfahren quer durch alle Altersgruppen (Note 2,7).

In Unterhaching (Gesamtnote 3,56) werden das Angebot an Leihrädern (Note 2,2. 2018: Note 4,5), die Erreichbarkeit des Ortszentrums (Note 2,3) und die Tatsache, dass alle Altersgruppen mit dem Rad unterwegs sind (Note 2,5) am stärksten gelobt. Die schlechtesten Noten erhält die Gemeinde für die Breite der Radwege (Note 4,7) sowie unzureichende Falschparker-Kontrollen, schlecht abgestimmte Ampelschaltungen und miese Radverkehrsführungen an Baustellen (jeweils Note 4,4).

Haar (Gesamtnote 3,65) kann vor allem mit dem Angebot an öffentlichen Fahrrädern (Note 2,0) und der guten Erreichbarkeit des Stadtzentrums (Note 2,6) punkten. Die Kontrolle von Falschparker:innen auf Radwegen stößt den Einwohner:innen dagegen stark auf (Note 4,9). Auch die Breite der Radwege (Note 4,7) und die Ampelschaltungen für Radfahrer:innen (Note 4,6) werden negativ bewertet.

Ottobrunn (Gesamtnote 3,70) gehört zu den bayerischen Gemeinden im Aufwärtstrend. Im letzten Jahr noch Schlusslicht im Landkreis konnte sich Ottobrunn diesmal bei fast allen Fragen leicht verbessern. Viele Radler:innen freuen sich über die gute Erreichbarkeit des Stadtzentrums (Note 2,1), die Möglichkeit, zügig Rad zu fahren (Note 2,6) und das Radeln aller Altersgruppen (Note 2,8). Bemängelt werden vor allem die fehlende Fahrradförderung seitens der Gemeinde und die schlechte Führung des Radverkehrs an Baustellen (jeweils Note 4,4). Noch mehr ärgern sich die Ottobrunner:innen jedoch über die fehlende Kontrolle von Falschparker:innen (Note 4,6) und den Mangel an Leihrädern (Note 4,7). Am stärksten verbessert hat sich das Angebot an geöffneten Einbahnstraßen (Note 3,5. 2018: 4,9.) und auch das Sicherheitsgefühl ist insgesamt gestiegen (Note 3,7. 2018: 4,3).

Unter 20.000 Einwohner (418 Orte bundesweit in der Bewertung)

  • Oberhaching: Note 2,77. Platz 11 bundesweit, leichte Verbesserung
    (2018: Note 2,98). Corona & Radfahren: Note 3,20.
  • Putzbrunn: Note 3,36. Platz 47 bundesweit,
    (2018: nicht bewertet). Corona & Radfahren: Note 3,85.
  • Ismaning: Note 3,37. Platz 50 bundesweit,
    (2018: nicht bewertet). Corona & Radfahren: Note 3,63.
  • Aying: Note 3,39. Platz 56 bundesweit,
    (2018: nicht bewertet). Corona & Radfahren: Note 3,80.
  • Garching: Note 3,43. Platz 66 bundesweit, leichte Verschlechterung
    (2018: Note 3,21). Corona & Radfahren: Note 3,72.
  • Kirchheim: Note 3,45. Platz 72 bundesweit,
    (2018: nicht bewertet). Corona & Radfahren: Note 3,63.
  • Neubiberg: Note 3,52. Platz 87 bundesweit,
    (2018: nicht bewertet). Corona & Radfahren: Note 3,90.
  • Oberschleißheim: Note 3,59. Platz 106 bundesweit,
    (2018: nicht bewertet). Corona & Radfahren: Note 4,05.
  • Feldkirchen: Note 3,69. Platz 144 bundesweit,
    (2018: nicht bewertet). Corona & Radfahren: Note 3,98.
  • Unterföhring: Note 3,75. Platz 161 bundesweit, konstante Bewertung
    (2018: Note 3,86). Corona & Radfahren: Note 4,03.
  • Höhenkirchen-Siegertsbrunn: Note 3,82. Platz 189 bundesweit,
    (2018: nicht bewertet). Corona & Radfahren: Note 3,91.

Die Gemeinde Oberhaching schneidet im Landkreis am besten ab: Sie kommt bei den Orten unter 20.000 Einwohner mit der Gesamtnote 2,77 bundesweit auf Platz 11 (von 418 in der Wertung!). 78 Prozent der Oberhachinger Teilnehmer:innen macht das Radeln mehr Spaß als Stress. Oberhaching kann dabei vor allem mit der Erreichbarkeit des Ortszentrums und der Möglichkeit, zügig Rad zu fahren sowie der Werbung fürs Radfahren (jeweils Note 1,8) punkten. Bemängelt werden vor allem die spärliche Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen (Note 4,0), die Breite der Radwege (Note 3,4) und die fehlende Mitnahmemöglichkeit der Räder im MVV (Note 3,5). Besonders honoriert werden dagegen das zwischenzeitlich installierte Angebot an Leihrädern (Note 1,7. 2018: 5,0) und die geöffneten Einbahnstraßen (Note 2,8. 2018: 3,5).

Hartmut Schüler, Landkreis-Beauftragter des ADFC München, erklärt: „Oberhaching ist auf einem guten Weg. Ein wegweisender Schritt für den Radverkehr im Landkreis war die Fertigstellung der Radhauptverbindung Süd. Der gute Ausbau der Teilstrecke, die sich von Oberhaching über die Kugleralm und die Nußbaumranch bis nach Geiselgasteig erstreckt und ganzjährig befahrbar ist, macht das Pendeln mit dem Rad deutlich attraktiver und sicherer. Innerorts wünschen sich die Radfahrenden in erster Linie noch größere Rücksichtnahme von Autofahrenden: angepasste Geschwindigkeiten, ausreichende Überholabstände und kein Parken auf Radwegen.”

In Putzbrunn: (Gesamtnote 3,36) werden die Erreichbarkeit des Ortszentrums, die Möglichkeit, zügig Rad zu fahren und die eher seltenen Fahrraddiebstähle (jeweils Note 2,4) am besten bewertet. Auf der Negativseite zu Buche schlagen die ungenügenden Mitnahmemöglichkeiten der Räder im MVV (Note 4,4) und die spärliche Kontrolle von Falschparker:innen auf Radwegen (Note 4,0). Den größten Verdruss bereitet den Putzbrunner:innen aber das fehlende Angebot an Leihrädern (Note: 5,2).

Die Radfahrenden in Ismaning (Gesamtnote 3,37) haben einige Kritikpunkte: die ungenügende Breite der Radwege (Note 4,5) und die schlechten Mitnahmemöglichkeit der Räder im MVV (Note 4,2) sind dabei die größten Mängel. Dafür erreichen die Ismaninger:innen das Ortszentrum gut per Rad (Note 2,2) und sind weitgehend zufrieden mit den Möglichkeiten, zügig Rad zu fahren (Note 2,3).

In Aying (Gesamtnote 3,39) bewerten die Teilnehmer:innen die Erreichbarkeit des Stadtzentrums und das stressarme Radfahren (jeweils Note 2,4) am besten. Auch die eher seltenen Konflikte mit Fußgänger:innen und das zügige Radfahren (jeweils Note 2,6) stehen auf der positiven Seite. Hauptkritikpunkte in Aying: die ungenügenden Rad-Mitnahmemöglichkeiten im MVV (Note 4,2) und die mangelnde Kontrolle des Parkens auf Radwegen (Note 4,3). Zudem wird mehr Werbung für das Radfahren (Note 4,3) und ein ausreichendes Angebot an Leihrädern (Note 4,6) angemahnt.

Garching (Gesamtnote 3,43) schneidet als einzige Gemeinde im Landkreis schlechter ab als 2018. Die Erreichbarkeit des Ortszentrums (Note 2,0) und die Möglichkeit, zügig Rad zu fahren (Note 2,2) werden neben dem Leihrad-Angebot (Note 1,9) am besten bewertet. Unwohl fühlen sich die Radfahrenden aber vor allem beim Fahren auf Radwegen und Radfahrstreifen sowie im Mischverkehr mit Kfz (jeweils Note 4,4). Auch die Breite der Radwege wird heftig moniert (Note 4,6). Auch das Sicherheitsgefühl der Radfahrenden nahm ab (Note 4,0).

Hartmut Schüler, Landkreis-Beauftragter des ADFC München, erklärt: „Bei diesen Kritikpunkten haben auch die Probleme nach dem Umbau der B471 eine Rolle gespielt, das zeigen die Kommentare. Dort wurden Radfahrende von Autofahrenden überholt, obwohl der vorgeschriebene Sicherheitsabstand bei der Straßenbreite nicht einzuhalten war. Radfahrende sollten so Raser ausbremsen, das hat aber nicht geklappt – mit lebensgefährlichen Folgen für die Radfahrenden.“

In Kirchheim (Gesamtnote 3,45) werden die Erreichbarkeit des Ortszentrums (Note 2,3), die Möglichkeit, zügig Rad zu fahren und die Wegweisung für Radfahrende (jeweils Note 2,4) am besten bewertet. Auch die Werbung fürs Radfahren kommt gut an (Note 2,4). Auf der Negativseite zu Buche schlagen das unkontrollierte Falschparken auf Radwegen (Note 4,6) und die zu geringe Breite der Radwege (Note 4,4) sowie die ungenügenden Mitnahmemöglichkeiten der Räder im MVV (Note 4,1)

Neubiberg (Gesamtnote 3,52) kann vor allem mit der guten Erreichbarkeit des Stadtzentrums und der Möglichkeit, zügig zu radeln (jeweils Note 2,3) punkten. Auch das Angebot an öffentlichen Fahrrädern (Note 2,4) kommt gut an. Dagegen werden vor allem die Breite der Radwege (Note 4,7) und die fehlenden Fahrradmitnahme-Möglichkeiten im ÖPNV (Note 4,5) negativ bewertet. Auch die mangelnde Kontrolle von Parken auf Radwegen stößt den Einwohner:innen auf (Note 4,4).

In Oberschleißheim (Gesamtnote 3,59) werden die Erreichbarkeit des Ortszentrums (Note 2,3), das Angebot an Leihrädern (Note 2,4) sowie die Möglichkeit, zügig zu radeln und die Wegweisung für den Radverkehr (jeweils Note 2,7), am häufigsten gelobt. Die schlechtesten Noten erhält die Gemeinde dagegen für die Breite der Radwege (Note 4,7) sowie für unzureichende Kontrollen von falschem Parken auf Radwegen und für schlecht abgestimmte Ampelschaltungen (jeweils Note 4,4).

In Feldkirchen (Gesamtnote 3,69) werden die geöffnete Einbahnstraßen in Gegenrichtung (Note 2,2), sowie das Radfahren aller Altersgruppen und das Angebot an Leihrädern (jeweils Note 2,7) positiv bewertet. Bei der Fahrradförderung (Note 4,7) und Werbung fürs Radfahren (Note 4,6) gibt es noch viel Luft nach oben. Dringlichen Verbesserungsbedarf sehen die Bewohner:innen besonders bei der Breite der Radwege (Note 4,8) und der Kontrolle von Falschparker:innen auf Radwegen (Note 4,9).

Die reiche Gemeinde Unterföhring (Gesamtnote 3,75) ist noch immer wenig fahrradfreundlich. Hauptkritikpunkte der Radler:innen: die zu schmalen Radwege und die schlechte Führung des Radverkehrs an Baustellen (jeweils Note 4,9) sowie das gefährliche Fahren im Mischverkehr mit Kfz (Note 4,7). Positiv bewerten die Teilnehmer:innen die Erreichbarkeit des Stadtzentrums (Note 2,6) und dass alle Altersgruppen Rad fahren (Note 2,7). Zudem gefällt den Unterföhringer:innen, dass es nun ein Angebot an Leihrädern gibt, die größte Verbesserung zu 2018. (Note 2,2. 2018: 4,0).

In der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn (Gesamtnote 3,82) gibt es noch viel Verbesserungspotenzial in punkto Fahrradfreundlichkeit. Die mangelnde Kontrolle des Parkens auf Radwegen (Note 4,8) und die zu schmalen Radwege (Note 4,7) führen die schlechten Bewertungen an. Besser benoten die Teilnehmer:innen die Erreichbarkeit des Ortszentrums (Note 2,7) und die Möglichkeit, zügig Rad zu fahren (Note 2,8). Auch das Leihrad-Angebot (Note 2,9) ist ein Pluspunkt.

Die detaillierten Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests 2020 finden Sie auf www.fahrradklima-test.adfc.de