Spannende Neuigkeiten aus dem Urwaldhaus: Die Hellabrunner Schimpansen-Gruppe wird um ein männliches Mitglied aus dem tschechischen Zoo Pilsen erweitert. Jambo soll auf Empfehlung des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) für Nachwuchs sorgen. Bis es soweit ist, müssen sich die Schimpansen jedoch zunächst ausführlich kennenlernen.
Anfang dieser Woche ist Jambo im Münchner Tierpark angekommen. Der zehnjährige Schimpanse aus dem Zoo Pilsen wird sich nun aber erst einmal hinter den Kulissen im Urwaldhaus an seine neuen Tierpflegerinnen und Tierpfleger gewöhnen. Nach dieser ersten Kennenlernphase beginnt dann die Eingewöhnung in die sechsköpfige Hellabrunner Schimpansen-Gruppe. Die Eingewöhnung ist besonders anspruchsvoll, da Schimpansen in ihren sozialen Strukturen sehr komplex und hierarchisch sind. Jambo muss sich nicht nur an seine neue Umgebung, sondern auch an die sozialen Dynamiken innerhalb der Gruppe gewöhnen. Streitigkeiten und körperliche Auseinandersetzungen sind keine Seltenheit und gehören zur natürlichen Interaktion.
Der zuständige Kurator Dr. Hanspeter Steinmetz erklärt: „Zunächst muss Jambo seine neue Umgebung, das Futter und die täglichen Abläufe kennenlernen und dann natürlich auch die Gruppe. Dies wird zuerst über Gerüche und Gehör erfolgen, bevor er nach und nach alle Anlagen, die Weibchen und die beiden Männchen kennenlernt. Schimpansen sind sehr dominante Tiere mit komplexen Sozialstrukturen. Daher wird Jambo nicht sofort mit allen sechs Gruppenmitgliedern gleichzeitig konfrontiert, sondern schrittweise eingeführt, damit er einen Platz in der Gruppenhierarchie einnehmen kann um mögliche Konflikte zu minimieren. Wir werden Schritt für Schritt vorgehen, viel beobachten und dann situationsbedingt entscheiden, wie es weitergeht. Sicherlich wird es in der Zeit der Eingewöhnung auch mal etwas lauter werden im Urwaldhaus, und auch Rangkämpfe sind nicht ausgeschlossen. Das ist völlig normal bei Schimpansen und würde auch in der Natur nicht anders ablaufen.“
Die Erweiterung der Hellabrunner Schimpansen-Gruppe, die so seit 2003 besteht, ist eine Empfehlung des EEPs für Schimpansen, genauer, die darin mitgeführte Unterart der Zentralafrikanischen Schimpansen. Dieser Unterart gehören auch die beiden Hellabrunner Weibchen Zenta und Sophie an. Zentralafrikanische Schimpansen sind nicht nur in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet im Kongo, Gabun und Kamerun stark gefährdet, sondern es gibt auch nur noch 43 Individuen dieser Unterart in Zoos. Deshalb ist Nachwuchs dringend erwünscht. „Ob uns dieses Vorhaben gelingt, können wir aktuell natürlich noch nicht vorhersehen“, so Tierparkdirektor Rasem Baban. „Aber als wissenschaftlich geführter Zoo wollen wir selbstverständlich dazu beitragen, dass diese Unterart von Schimpansen erhalten bleibt, und haben uns deshalb gemeinsam mit dem Pflegerteam der Primaten und Dr. Steinmetz für die Aufnahme von Jambo entschieden.“ Selbstverständlich wird der Tierpark Hellabrunn in den kommenden Wochen und Monaten über die neuesten Entwicklungen der Eingewöhnung berichten.
Zur Hellabrunner Schimpansen-Gruppe gehören neben den beiden Zentralafrikanischen Schimpansen-Weibchen Zenta und Sophie die beiden Männchen und Söhne von Sophie, Willi und Walter, sowie die beiden Weibchen Hannerl und Annemarie. Zenta und Sophie waren beide bereits mehrfach Mütter. Das letzte Jungtier in Hellabrunn war Walter, der 2003 geboren wurde.
Laut dem Jane-Goodall-Institut hat sich die Zahl der in der Natur lebenden Schimpansen seit den 1950er Jahren drastisch reduziert – von etwa 1,5 Millionen Tieren auf 300.000, was einem Rückgang von über 80 Prozent entspricht. Der rasantere Anstieg der weltweiten Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten hat unweigerlich zu einem Schrumpfen natürlicher Ressourcen geführt. Für viele Tierarten wurden die Lebensräume immer kleiner, und die Bedrohung durch den Menschen gefährdet zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Hinzu kommen weitere Faktoren wie der Klimawandel, Wilderei und die Abholzung von Regenwäldern, die das Überleben von Schimpansen zunehmend bedrohen. Nicht selten werden Schimpansen als „Bushmeat“, also wegen ihres Fleisches, gejagt oder weil sie Plantagen verwüsten.
„Mit einem möglichen Zuchterfolg leistet Hellabrunn einen bedeutenden Beitrag im Erhalt der Reservepopulation von Zentralafrikanischen Schimpansen in den Zoologischen Gärten,“ so Arun Idoe aus dem niederländischen Burgers Zoo und zuständiger EEP-Schimpansen-Co-Koordinator.
Tierparkdirektor Rasem Baban ergänzt: „Darüber hinaus sind sie auch Botschafter für den Schutz ihrer wildlebenden Verwandten. Wir sind überzeugt davon, dass Menschen das schützen, was sie kennen und lieben lernen. Wer sich im Hellabrunner Urwaldhaus Zeit nimmt, die Schimpansen zu beobachten, wird schnell feststellen, wie faszinierend und sozial diese Tiere sind – und wie wichtig es ist, ihre Lebensräume zu schützen“.
Während der Eingewöhnungsphase kann es gelegentlich zu kurzfristigen Schließungen des Urwaldhauses kommen. Wann Jambo zum ersten Mal für die Besucherinnen und Besucher zu sehen sein wird, steht aktuell noch nicht fest. Es wird jedoch rechtzeitig darüber informiert.