Gewaltbereite Jugendgruppen in Großstädten

Gewaltbereite Jugendgruppen in Großstädten

Die Kriminologische Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei (KFG) legt ihre Studie zu „Gewaltbereiten Jugendgruppen in Großstädten“ vor. Anlass waren schwerwiegende und aufsehenerregende Gewalttaten von kriminellen Jugendgruppen in den zurückliegenden Jahren. So endete z.B. im März 2022 in München eine verbale Auseinandersetzung zwischen mehreren Jugendlichen mit einem tödlichen Messerstich gegen einen 18-Jährigen. Auf Basis polizeilicher Daten richtet sich der Fokus der Studie zunächst auf soziale Merkmale und Deliktskarrieren von Mitgliedern. Anschließend werden Experteninterviews und Aussagen ehemaliger Mitglieder zusammengefasst dargestellt, die aufschlussreiche Informationen über die individuellen Ursachen sowie Motive zur Bildung von oder Teilnahme an gewaltbereiten Jugendgruppen liefern.

Michael Laumer (KFG), der das Phänomen näher untersucht, stellt fest, dass neben allgemein steigenden Fallzahlen bei jugendlichen Tatverdächtigen, die in Jugendgruppen organisiert sind, auch die Zahl der Gruppendelikte seit 2018 um das 16-fache zugenommen hat. Nicht selten stehen diese Delikte in Verbindung mit Waffen oder Rauschgift. Gewaltbereite Jugendgruppen zeichnen sich durch eine interne Hierarchie, eine arbeitsteilige Organisation und gemeinsame Strafrechtsverstöße aus, wobei die Durchsetzung ihrer jeweiligen Normvorstellung auch mit Gewalt erfolgt.

Die Analyse polizeilicher Daten ergibt, dass die Gruppen zu 98,9 % von männlichen Jugendlichen dominiert werden, welche durchschnittlich 17,6 Jahre alt sind und größtenteils eine Haupt- oder Mittelschule besuchen. Mitglieder jünger als 14 Jahre wurden in München und Umland sowie Nürnberg und Augsburg nicht erfasst, nur ein geringer Anteil war 20 Jahre oder älter. Die meisten Jugendlichen wurden jedoch im Alter zwischen 11 und 14 Jahren erstmals wegen eines Delikts polizeilich registriert (61,1 %).

Mit Blick auf die familiären und sozialstrukturellen Hintergründe der Gruppenmitglieder belegen die Interviews, dass die Jugendlichen überwiegend in zerrütteten Familienverhältnissen und sozioökonomisch schwächeren Stadtvierteln aufwachsen. Diese Viertel sind gekennzeichnet durch einen hohen Anteil an Migranten, ein niedriges Familieneinkommen und beengten Wohnraum. Zudem bricht der Großteil der Mitglieder frühzeitig die Schule ab oder schafft den Abschluss nicht, wodurch ihnen später der Wunschberuf verwehrt bleibt und sich Perspektivlosigkeit ausbreitet. Durch die Mitgliedschaft in einer gewalttätigen Jugendgruppe suchen die jungen Menschen Respekt und Anerkennung; finanzielle Anreize und der Ersatz für fehlenden familiären Halt sind weitere Motive der Zugehörigkeit.

Hinsichtlich der Prävention von gewaltbereiten Jugendgruppen gibt es in Bayern erfolgreiche polizeipräventive Konzepte an Schulen. Aus den Ergebnissen der aktuellen Untersuchung ergibt sich jedoch zusätzlich die Relevanz eines interdisziplinären Ansatzes, welcher beispielsweise durch Konzepte wie Häuser des Jugendrechts oder Untersuchungshaft-Vermeidungseinrichtungen abgedeckt wird. Hierbei steht die Kooperation aller am Jugendstrafverfahren beteiligten Akteure im Fokus, um ganzheitlich auf Delikte zu reagieren und abgestimmte Maßnahmen gegen jugendliche Straftäter folgen zu lassen. In Bayern existieren bisher drei virtuelle Häuser des Jugendrechts und zwei Untersuchungshaft-Vermeidungseinrichtungen.

Die Studie, die Teil des zuletzt veröffentlichten Kinder- und Jugendberichts (2021) ist (Kapitel 7, Seite 66 ff), steht unter folgendem Link zum Download bereit: www.polizei.bayern.de/kriminalitaet/statistik/index.html