Update 04.04.2020: Coronavirus-Fälle in Bayern auf 23.049 angestiegen

Innenminister Herrmann

Innenminister Joachim Herrmann: Stand gestern, Samstag, 10:00 Uhr, haben wir in Bayern 23.049 Corona-Infektionen (+ 2.087 im Vergleich zum Vortag, + 9,9 Prozent) zu verzeichnen. Damit bleiben wir einigermaßen stabil im statistischen Korridor der letzten Tage, müssen aber feststellen, dass damit etwa ein Drittel aller Neuinfektionen in Deutschland auf Bayern entfällt. Deshalb, und auch wenn ich mich wiederhole: die Richtung stimmt, aber wir sind noch nicht über den Berg! Und wir müssen weitere 43 (Vortag: + 50) Corona-Tote beklagen, sodass sich deren Gesamtzahl auf 370 erhöht. Die Anzahl der amtlich ausgewiesenen Genesenen liegt bei 4.540.

Sie haben sicher den Medien entnommen, dass das Gesundheitsministerium gestern zwei neue Allgemeinverfügungen erlassen hat. Mit diesen verbinden sich ein grundsätzlicher Stopp für die Aufnahme neuern Bewohnerinnen und Bewohner in Alten- und Pflegeheimen sowie bestimmten Behinderteneinrichtungen, und dort, wo ausnahmsweise Aufnahmen möglich sind, strengen Auflagen.

Dieser Schritt folgt einer faktenbasierten Analyse des aktuellen Infektionsgeschehens und der Evaluierung der bisher ergriffenen Maßnahmen. Grundsätzlich ist die Erkenntnis nicht neu, dass vor allem schwer vorerkrankte und hoch betagte Menschen besonders gefährdet sind, weil deren Immunabwehr im Vergleich zur jüngeren Generation bzw. gesunden Menschen deutlich geschwächt ist. In der Folge ist bei den sog. besonders vulnerablen, also besonders anfälligen oder verletzlichen Personen, nicht nur das Erkrankungsrisiko deutlich höher, es ist auch der Verlauf der Erkrankung regelmäßig wesentlich schwerer. Dies drückt sich insbesondere in einer überproportionalen Sterberate aus.

Aufgrund dieser Zusammenhänge hat das Gesundheitsministerium schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt u.a. für Altenheime und Seniorenresidenzen, vollstationäre Pflegeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen weitreichende Betretungs- und Besuchsverbote erlassen. Jetzt hat es Aufnahmestopps bedurft. Warum dies so ist, möchte ich Ihnen an zwei Aspekten erläutern: dem coronabedingten Sterbefallgeschehen und der Altersverteilung bei Neuinfektionen. Beides Größen, die besonders drastisch deutlich machen, dass gerade ältere Menschen in Heimen noch stärker geschützt werden müssen.

Über 94 Prozent der Verstorbenen Coronapatienten gehören der Altersgruppe ab dem 60. Lebensjahr an, wobei allein auf die Kohorte 80+ fast 64 Prozent von allen Sterbefällen entfallen.     

So weit so klar. Etwas komplexer verhält es sich mit der altersbezogenen Verteilung der Neuinfektionen. Als besonders aussagekräftige Größe ziehen in diesem Zusammenhang die Experten den sog. „Median“ heran. Dieser bezeichnet den Wert, der genau in der Mitte steht, wenn man die Gruppe der neu Infizierten nach ihrem Alter reiht. Er entspricht insoweit nicht dem Durchschnittsalter. Oberhalb des Median findet sich die Hälfte der älteren, unterhalb die der jüngeren neu Infizierten. Aktuell liegt der Median bei 52 Jahren. Würden also z.B. heute 60 Personen neu erkranken, dann wären 30 Personen jünger als 52 Jahre und 30 Personen älter. Statistisch bedeutet dies: erkranken immer mehr alte und bleibt demgegenüber im Verhältnis die Zahl der jüngeren gleich oder sinkt gar, dann verschiebt sich der Median nach oben, weil der Anteil der alten Menschen am Gesamtgeschehen wächst. Oder anders ausgedrückt: je höher der Median liegt, umso mehr wächst das Infektionsrisiko für die ältere Generation.

Dieser statistische Effekt der Verschiebung des Median nach oben zeigt sich aktuell tatsächlich in der Lebenswirklichkeit in Bayern und lässt sich auch gut erklären. Menschen, die sich etwa im Februar neu infiziert hatten, waren vielfach als Skifahrer und Touristen in Ischgl oder in Südtirol. Sie haben sich dort das Virus eingefangen und sind dann binnen sieben bis zehn Tagen erkrankt. An diesen Hotspots waren naturgemäß vor allem junge Menschen und weit weniger Senioren im Alter 60+. Und die Zahl derer, die als Bewohner von Seniorenheimen o.ä. in Ischgl waren, dürfte nahe Null liegen. Deshalb waren zu Beginn der Infektionswelle junge Menschen häufiger betroffen als ältere. In der Folge lag damals der Median in Bezug auf das Alter der neu Infizierten deutlich niedriger, bei 33.

In den Wochen nach „Ischgl und Co.“ hat sich das Virus in der bayerischen Gesamtbevölkerung über alle Altersgruppen hinweg ausgebreitet, was der Median auch deutlich abbildet. Dieser liegt nun bei besagten 52 Jahren, Tendenz steigend.

Fazit: Sowohl die Sterbefallzahlen wie auch der ansteigende Median zeigen, dass im weiteren Verlauf der Pandemie in Bayern das Infektionsrisiko für die ältere Generation steigt. Dies kann sich, wie Einzelbeispiele schon schmerzlich bewiesen haben, in Alten- und Pflegeheimen besonders fatal auswirken, weil dort die Hauptrisikogruppe geballt vorkommt und, ist das Virus erst einmal in eine solche Einrichtung eingetragen, die Infektionswege gleichsam von Tür zu Tür besonders kurz sind.  

Die heute in Kraft getretenen Allgemeinverfügungen bestimmen für solche Einrichtungen im Kern

  • einen generellen Aufnahmestopp für neue Bewohner, um die Wahrscheinlichkeit eines Neueintrages des Virus zu reduzieren. Gleiches gilt für Bewohner, die in einer Klinik zur (meist allgemeinmedizinischen) stationären Behandlung waren und im Anschluss in ihr angestammtes Seniorenheim zurückkehren möchten. Der Aufnahme- bzw. Rückkehrstopp gilt ausnahmsweise nicht, wenn die Einrichtung neue oder zurückkehrende Bewohner in einem separaten Bereich 14 Tage in Quarantäne unterbringen kann und die hierfür vom Heim geschaffene räumliche Situation vom Gesundheitsamt abgenommen wurde. Kann eine Einrichtung nicht selbst eine Quarantäne für Rückkehrer durchführen, müssen diese zunächst in einer anderen geeigneten Einrichtung 14 Tage untergebracht werden. Regelmäßig geeignet sind hierfür Einrichtungen der Kurzzeitpflege oder entsprechend aufgestellte Reha-Kliniken.
  • Ist eine Pflegeeinrichtung von COVID-19-Erkrankungen betroffen, muss möglichst rasch entschieden werden, ob und gegebenenfalls welche Bewohnerinnen und Bewohner in geeignete Einrichtungen verlegt werden können.
  • Besteht der Verdacht, dass in einer der hier relevanten Einrichtungen weitere Personen infiziert worden sein könnten, sollen umgehend Reihentestungen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Beschäftigten erfolgen. Dies dient dem Ziel, Infektionsketten umgehend und wirksam zu unterbrechen.
  • Pflegeeinrichtungen müssen zudem gegenüber dem zuständigen Gesundheitsamt einen Pandemiebeauftragten benennen. Dieser ist zuständig für die Umsetzung der erforderlichen Hygienemaßnahmen und fungiert als Ansprechpartner für die Gesundheitsbehörden.

Natürlich ist den Verantwortlichen in der Staatsregierung klar, dass der heute verfügte Aufnahmestopp und die Regelungen für Rückkehrer viele Betroffene und deren Familien mindestens in eine unangenehme Situation, im Einzelfall auch in die Bredouille bringen. Teils haben die Betroffenen über Monate sehnlichst auf den Platz im Heim gewartet und nun ist der in greifbarer Nähe liegende Umzug auf Eis gelegt. Aber dies ist zum Schutz der besonders gefährdeten Heimbewohner unabdingbar. Und aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Denn es handelt sich um einen vorläufigen Aufnahmestopp, der umgehend aufgehoben wird, sobald es die epidemiologische Situation zulässt. 

Abschließend möchte ich den Menschen in Bayern ein dickes Lob aussprechen. Denn nach den Informationen, die ich heute bis zum frühen Abend von der Polizei erhalten habe, hält sich die überwältigende Mehrheit an die Empfehlung, touristischen Zentren und üblicherweise bei einem „Kaiserwetter“ wie heute stark frequentierte Naherholungsgebiete möglichst zu meiden.

Deutlich mehr los ist in den zentralen Parks und stadtnahen Grünanlagen der Ballungszentren. Aber da sich die Spaziergänger, Individualsportler und Frischluftfreunde erkennbar um die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 Meter bemühen und sich deshalb nur selten unerwünschte Pulks bilden, muss die Polizei nur gelegentlich eingreifen.

Auf den bayerischen Straßen ist nur ein geringes Verkehrsaufkommen zu verzeichnen und an den Grenzübergängen zu Österreich und Tschechien kommt es lediglich zu geringen Wartezeiten im PKW- und im Schwerlastverkehr. 

Danken möchte ich den eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sowie den Angehörigen der Sicherheitswacht für ihren schwierigen Dienst und ihr umsichtiges Agieren.

Auch morgen, wenn das Wetter wohl noch schöner wird und die Temperaturen steigen sollen, werden wir die regionalen Polizeipräsidien wieder mit starken Kräften der Bereitschaftspolizei, den Reiter- und Diensthundestaffeln, der Wasserschutzpolizei und den Motorradkontrollgruppen unterstützen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Menschen sich auch morgen wieder sehr vernünftig und umsichtig verhalten und es zu keinen größeren Problemen bei der Durchsetzung der vorläufigen Ausgangsbeschränkungen kommt, so Innenminister Joachim Herrmann.